Ein toter Lehrer / Roman
auch gar nicht.« Sie wollte aufstehen, aber bevor sie sich aus der Palme befreien konnte, legte ihr David die Hand auf den Unterarm.
»Warte«, sagte er. »Warte. Setz dich, Lucia, bitte.«
In diesem Moment brachte der Kellner das Essen und versperrte Lucia den einzigen Weg aus dem Restaurant. Sie zögerte und warf einen kurzen Blick zu David.
»Bitte«, sagte er. »Bitte setz dich.«
Lucia setzte sich, ganz vorn auf die Stuhlkante, und der Kellner stellte ihnen die Teller hin. Die Torte war braun. Soweit
Lucia das beurteilen konnte, war das aber auch die einzige Gemeinsamkeit mit dem Schokoladenkuchen, den sie sich vorgestellt
hatte. Sie schob den Teller von sich und sah zu, wie David in seiner Pasta herumstocherte.
»Sieh mal, David, es tut mir leid. Wenn ich falsche Hoffnungen geweckt habe, dann tut es mir leid. Aber du kannst doch nicht erwarten, dass ich … Ich meine, nach dem, was du getan hast …«
David hustete noch einmal. Er spießte eine Nudel auf, dann ließ er die Gabel sinken und hob den Kopf. »Was kann ich tun, Lucia? Du sagtest, du brauchst meine Hilfe. Was kann ich für dich tun?«
Lucia streckte die Hand aus und ließ ihre Finger unter seine gleiten. Sie lächelte. »Danke«, sagte sie. »Wirklich.«
David zuckte mit den Schultern. »Ich hab doch noch gar nichts getan. Du hast mir ja noch nicht mal gesagt, was ich überhaupt tun soll.«
»Nein«, erwiderte Lucia. »Nein, das hab ich noch nicht.«
»Na dann? Schieß los.«
»Im Moment will ich nur etwas von dir wissen.«
»Von mir wissen? Was denn?«
Lucia stützte die Ellbogen auf den Tisch, dorthin, wo ihr Teller hätte stehen sollen. »Verrate mir zuerst einmal, was du Philip erzählt hast. Und dann … Na ja. Dann müssen wir weitersehen.«
E r hat mir die Waffe gezeigt.
Das heißt, nicht direkt gezeigt, aber ich habe sie gesehen. In der Woche vor dem Amoklauf. Ich saß im Lehrerzimmer neben ihm, und als er seinen Aktenkoffer aufgemacht hat, habe ich sie gesehen.
Ich sage,
die
Waffe, dabei war es sicher nur irgendeine Waffe. Ich nehme bloß an, dass es die war, mit der er geschossen hat. Ehrlich gesagt, sah sie nicht einmal aus, als ob sie funktionieren würde, aber das passt ja zu dem, was man so hört. Dass es eine Antiquität war. Ein Museumsstück. Aus dem Krieg vielleicht. So heißt es doch, oder?
Dann war es wohl doch
die
Waffe. Sie steckte zwischen einem Aktenordner und einem Stoß Arbeiten, wie eine Thermosflasche oder eine Brotdose. Wie alles Mögliche, nur nicht wie eine Waffe.
Samuel, sagte ich und lachte ein wenig. Das ist aber nicht das, wonach es aussieht, oder? Er sagte: Verzeihung?, und ich nickte.
Das da, sagte ich. In deinem Koffer. Das ist doch nicht etwa, was ich glaube.
Oh, sagte Samuel. Ach so. Du meinst die hier?
Und er klappte seinen Koffer auf und nahm die Waffe am Griff heraus. Dann legte er den Finger um den Abzug, und für einen Augenblick war der Lauf direkt auf meinen Kopf gerichtet.
Ich lachte wieder. Ich würde wohl keinen guten Polizisten abgeben, was? Jemand richtet eine Waffe auf mich, und ich kichere bloß nervös. Aber so war es nun mal. Und ich sagte: Samuel, mir wäre wohler, wenn du … Also, ich meine, könntest du nicht bitte … Ich kicherte jedenfalls und brachte keinen vollständigen Satz heraus.
Oh, sagte Samuel noch einmal. Nein, nein, nein, keine Sorge. Und dann richtete er die Waffe auf die Rückseite seines Aktenkoffers, auf den offenen Deckel, und hinter dem Deckel, uns gegenüber, saß Terence, Terence Jones, TJ für die, die ihn kennen, und Samuel hielt die Waffe so, dass sie genau auf ihn zeigte. Und TJ sah uns nicht, weil er seine Zeitung las und weil die Waffe ja außerdem vom Koffer verdeckt war. Und Samuel hatte den Finger am Abzug, und ich sah, dass er kurz davor war abzudrücken. Also, zu schießen. Auf TJ .
Und was mache ich?
Nichts. Ich habe zugesehen. Zu mehr war ich nicht imstande. Wie gesagt, Sie würden sich schön bedanken, wenn Sie mich bei der Polizei hätten.
Aber wie sich herausstellte, funktionierte die Waffe nicht. Samuel drückte ab, doch der Abzug klemmte. Er bewegte sich nicht. Und Samuel sah mich an. Er grinste zwar nicht direkt, aber er sah trotzdem ziemlich zufrieden mit sich aus. Mögen Sie Katzen, Detective? Ich schon. Ich habe drei. Und Samuel sah aus wie meine Ingrid, nachdem sie ihre Portion Hühnerklein verputzt hat und die von Humphrey und Bogart gleich mit.
Samuel, sagte ich. Wirklich. Und ich überlegte immer noch, was ich
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