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Ein toter Lehrer / Roman

Ein toter Lehrer / Roman

Titel: Ein toter Lehrer / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Lelic
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Lied.«
    »Du hast doch immer gesagt, wir hätten kein Lied. Du fandst es kitschig, ein Lied zu haben.«
    »Ich weiß. Ist es ja auch. Aber trotzdem.«
    David verschwand in der Küche. Lucia hörte, wie er eine Flasche aus dem Kühlschrank nahm und einen Schluck daraus trank. Er kam zurück ins Wohnzimmer. »Ich muss los«, sagte er, blieb aber hinter dem Couchtisch stehen. Er sah kurz zur Wohnungstür und wandte sich dann wieder zu Lucia. »Und wie läuft das jetzt?«
    »Was läuft wie?«
    »Na, geb ich dir jetzt einen Abschiedskuss, oder wie?«
    Lucia schwang die Beine vom Sofa und setzte sich aufrecht hin. »Was?«, fragte sie. »Nein. Natürlich nicht. Warum solltest du?«
    David fuhr sich mit der flachen Hand vom Hinterkopf zur Stirn. Seit Lucia ihn kannte, hatte er kurzes Haar, aber jetzt sah es dünner aus, und der Schnitt wirkte weniger wie ein modisches Statement als vielmehr wie das halblaute Eingeständnis, dass die Jahre auch an ihm nicht spurlos vorübergingen. Das war nichts Schlechtes, fand Lucia. Er sah dadurch irgendwie verletzlicher aus. Weniger männlich. »Keine Ahnung«, antwortete David. »Du hast bei mir geschlafen. Wenn Frauen bei mir schlafen, gebe ich ihnen normalerweise einen Abschiedskuss. Und dann gehen entweder sie oder ich. Öfter sie.«
    »Ich habe nicht
bei dir
geschlafen. Ich habe auf deinem Sofa geschlafen. Und was soll das heißen, wenn Frauen bei dir schlafen? Wer schläft bei dir? Was für Frauen?«
    David grinste. »Was ist denn los, Lulu? Du bist doch nicht etwa eifersüchtig?«
    Lucia lachte. Es klang jedoch nicht gerade überzeugend, wie sie selbst merkte. »Wir wissen doch beide, dass ich, Barbarella da drüben«, sie deutete auf das Poster an der Wand, »und deine Mutter die einzigen Frauen sind, die je in dieser Wohnung übernachtet haben. Ach ja, und Veronica. Wie konnte ich bloß Veronica vergessen.«
    »Victoria«, sagte David. »Victoria hieß sie, nicht Veronica.«
    »Victoria, Veronica, Verucca. Was ist eigentlich aus ihr geworden?«
    David strich sich noch einmal übers Haar. »Sie ist gegangen. Sie wurde abgeworben. Von einer anderen Firma.«
    »Na ja, war wahrscheinlich das Beste«, erwiderte Lucia. »Sie war eh nicht dein Typ. Viel zu haarig.«
    »Sie war nicht haarig.«
    »Und ob. Ich habe sie nackt gesehen, David. Sie war richtig flaumig.«
    David schüttelte den Kopf. »Was ist mit dir? Hast du wieder jemanden? Philip sagt, du wärst immer noch solo.«
    »Philip hat keine Ahnung«, antwortete Lucia. »Ich bin wieder mit jemandem zusammen.«
    »Bist du nicht.«
    »Doch, bin ich. Er heißt …«
    »Er heißt?«
    »Harry. Er ist ein Kollege. Wir kennen uns von der Arbeit.«
    »Harry«, sagte David.
    »Harry«, sagte Lucia.
    David nickte. Wieder grinste er.
    »Was ist?«, fragte Lucia.
    »Nichts.«
    »Was? Was denn, nichts?«
    »Nichts, nichts. Bloß … na ja. Wenn du wirklich mit diesem Harry zusammen bist, was machst du dann hier? Auf meinem Sofa? Mit nicht viel mehr als einem T-Shirt von mir an?« Sein Blick wanderte von Lucias Hüfte abwärts. Lucia sah an sich hinab und merkte, dass die Decke von ihren Schenkeln gerutscht war. Schnell zog sie sie darüber.
    »Du musst los, David.«
    »Was? Oh, Mist. Mistmistmist.« David drehte sich um und stürmte aus dem Zimmer. Lucia hörte, wie polternd Schuhe aus dem Flurregal fielen. Kurz darauf stand David wieder in der Tür. Von seinem Grinsen fehlte jetzt jede Spur. »Mein Gott, Lucia. Aber du bist doch nicht etwa … Ich meine, du bist aber nicht …«
    Wieder lachte Lucia, diesmal wirklich belustigt. »Wie lange ist das jetzt her, David? Sechs Monate? Sieben? Ich glaube, noch nicht mal in diesem T-Shirt hätte ich das bis jetzt verbergen können.«
    David schloss die Augen. Er atmete tief durch und öffnete sie wieder. »Puh, na Gott sei Dank«, sagte er. »Ich meine, tut mir leid, aber … echt, Gott sei Dank.«
    Lucia tippte mit dem Finger auf ihr Handgelenk.
    »Richtig«, sagte David und verschwand wieder. »Aber was ist denn nun los, Lucia?«, rief er ihr vom Flur aus zu. »Du stehst mitten in der Nacht vor meiner Tür …«
    »Es war halb zehn, David.«
    »Du stehst mitten in der Nacht vor meiner Tür, nach sechs Monaten, in denen du dich praktisch geweigert hast, auch nur ein Wort mit mir zu sprechen. Du isst drei Happen von dem Omelett, das ich dir brate, und dann schläfst du bei mir auf dem Sofa ein. Wenn du nicht schwanger bist, warum bist du dann hier?« Er steckte noch einmal den Kopf zur

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