Ein toter Taucher nimmt kein Gold
Hände und betrachtete ihn lange.
»Chagrin gräbt weiter. Ich gehe gleich wieder 'runter. Wir werden dir hundert Schädel heraufbringen.«
Pascale stand am Kombüsenfenster, hatte die Fäuste gegen den Mund gepreßt und wartete. Chagrin war jetzt allein unten … Wann kamen sie endlich? Verflucht, wann kamen sie? – Und die Haie kamen!
Zuerst ein einzelner, ein Vorbote, ein Späher gewissermaßen. Er umkreiste das Schiff, roch das Fleisch, schnappte nach einem Klumpen und schoß wieder weg. Und dann tauchten hintereinander die gefürchteten dreieckigen Rückenflossen auf. Fast militärisch, in Kiellinie, schwammen die Haie heran, teilten sich dann und bildeten eine breite Angriffsfront. Die Rückenflossen tauchten weg, die schlanken, torpedoähnlichen, schnellen Leiber schossen in die Tiefe.
Peter Damms sah die dreieckigen Flossen zuerst. Ein Schauer lief ihm über den Rücken, dann brüllte er in das Mikrofon:
»Chagrin! Haie! Haie! Ein ganzes Rudel! In den Käfig! Schnell! Sie haben keine Zeit mehr, aufzutauchen! Hören Sie mich?«
»Ich höre!« Chagrins Stimme aus der Tiefe klang erregt und heiser. »Einer ist schon hier. Er umkreist mich. Der Käfig ist drei Meter entfernt. Keine Sorge – ich schaffe es …«
Er sprach nicht davon, was der Hai, ein kleiner, noch junger Bursche, im Maul trug, wieder ausspuckte, wegtreiben ließ, ihm nach oben nachschoß, damit spielte wie eine Katze mit der Maus.
Eine große Kartoffelschale …
Chagrin schien es geschafft zu haben. Als Pascale an Deck erschien und unschuldig fragte, was los sei, begann die große Winde zu knirschen, an der der Rettungskäfig hing.
»Gratuliere, René!« hörte sie Damms rufen. »Wie viele sind's?«
»Sechs. Darunter zwei kapitale Burschen.« Chagrin hockte in dem Käfig und wurde langsam nach oben gehievt. Die Haie umkreisten ihn, griffen an, stießen mit ihren Köpfen gegen die Metallstangen und rissen die zahnbespickten Mäuler auf. Ihre Augen starrten kalt und gnadenlos den zusammengekauerten Menschen an.
Chagrin hatte das lange, zweischneidige Messer in der rechten Hand. Es wäre leicht gewesen, durch das Gitter zuzuschlagen und in die immer wieder anrennenden Köpfe der Mordfische zu stechen. Er hätte jeden von ihnen treffen können, und es wäre ein fürchterliches Sterben geworden, ein kochendes Blutmeer, das nur noch mehr Haie anlocken würde. Genau das wollte Chagrin vermeiden. Er ließ die Haie gegen den Käfig stoßen, es waren gewaltige Schläge, die ihn durchschüttelten, und er hoffte, daß der Riegel der Klapptür hielt und nicht von den ständigen Erschütterungen aufsprang.
»Schneller!« schrie er ins Mikrofon. »Schneller! Die Bestien sind wie irr!«
Dann durchstieß der Drahtkorb die Wasseroberfläche, begleitet von den herausschnellenden Köpfen der Haie. Chagrin schwebte in der Luft und wurde an Bord geschwenkt.
»Jetzt ist die Sauerei komplett«, sagte er, als er aus dem Käfig kletterte. »Bis wir die wieder los sind, vergehen Tage.«
Er warf die Ausrüstung auf den Boden und tappte unter Deck. Dort begegnete er Pascale, die bleich im Gang neben der Kombüse lehnte. Er sah sie kurz an, packte sie dann an den langen roten Haaren, zog sie hinter sich her und trat die Tür zu Damms' Kajüte zu. »Da bin ich wieder!« keuchte er. »Küchenabfälle über Bord werfen … die Haie anlocken … Du wolltest mich umbringen, was? Du Aas! Du gemeines Aas! Aber um einen Chagrin umzubringen, genügt ein Hai nicht! Du verdammtes Luder!«
Er schlug zu. Sie hob schützend die Arme vor ihr Gesicht, aber er kannte kein Erbarmen, wie sie auch keins gekannt hatte, und schlug mit beiden Fäusten auf sie ein, bis sie umfiel und auf den Boden rollte. Erst da ließ er von ihr ab, gab Pascale noch einen Tritt und stieg wieder nach oben.
»Ellen«, sagte er ganz ruhig. »Bitte, übernehmen Sie wieder die Küche. Pascale hat einen Herzanfall bekommen.«
Er verhinderte es nicht, sondern verzog nur leicht sein Gesicht, als Peter Damms an ihm vorbei unter Deck rannte.
Es dauerte nicht lange, und Damms erschien wieder an Deck. Sein langes, hageres Pferdegesicht mit der randlosen Gelehrtenbrille war verschlossen. Er ging ruhig auf Chagrin zu, der gerade seinen Gummianzug ausgezogen hatte und sich frottierte. Ellen trug den Anzug weg. Faerber malte auf die Sauerstoffflaschen einen roten Streifen. Gebraucht.
»Ich muß mit Ihnen reden, Chagrin«, sagte Damms heiser.
»Bitte. Was gibt's?« Chagrins Augen funkelten.
»Sie sind ein
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