Ein toter Taucher nimmt kein Gold
Nuestra Señora gelegt.
Der nächtliche Besuch blieb unbemerkt. Zwar wunderte sich Faerber, daß der Drahtkorb, in den man sich bei Haiangriffen flüchten wollte, an einem anderen Ort stand – die nächtlichen Besucher hatten ihn aus dem Gerätestapel hervorgezogen, um ihn fotografieren zu können –, aber er maß dem keine Bedeutung bei. Es konnte sein, daß Peter Damms ihn bereitgestellt hatte, damit Ellen und Pascale ihn bei einem Notsignal sofort herunterlassen konnten.
Der Schock, den Damms erlitten hatte, war schwerer, als Faerber angenommen hatte. An Tauchen war nicht zu denken. Hans untersuchte den Freund noch einmal, verordnete ihm strenge Bettruhe und injizierte wieder ein Kreislaufmittel.
»Legen wir eine Pause ein«, sagte auch Chagrin. Er fühlte sich noch elend und hatte wenig Lust, allein zu tauchen. »Die Milliarden laufen uns nicht mehr weg. Und klauen kann sie uns auch niemand – wir sitzen wie eine Glucke über ihnen.«
Die Unterbrechung kam Chagrin gerade richtig. Pascale wurde zu einem echten Problem – er sah es wieder, als sie am Morgen nicht von Damms' Bett wich, ihn wie ihr eigenes Kind umsorgte und eine Zärtlichkeit entwickelte, die nichts mehr zu tun hatte mit der berechnenden Erotik, die Damms langsam, aber stetig zersetzen sollte.
»Wie kann man nur so ein Gerippe lieben!« sagte er böse zu Pascale, als sie sich auf Deck begegneten. »An gewisse Perversionen habe ich mich bei dir gewöhnt – aber das ist ja fast eine Mumienschändung.« Und als er sah, daß Pascale nicht darüber sprechen wollte und an ihm vorbeiging, hielt er sie am Arm fest und zog sie brutal zu sich.
»Du setzt auf das falsche Pferd, chérie«, sagte er gefährlich leise. »Überleg es dir. Er bekommt die Hälfte des Schatzes, aber er überlebt es nicht. Den ganzen Klumpen da unten kassiere ich! Und ich lasse mich nicht von dir ausbooten. Es wäre idiotisch, mit mir allein übrigzubleiben und dann zu überlegen, was man falsch gemacht hat.«
»Du willst auch mich umbringen«, sagte sie. »Aber dem komme ich zuvor.«
»Dich soll ich umbringen?« Chagrin schüttelte den Kopf. »Du bist zu hübsch, um Fischfutter zu werden. Wenn du dich an mich hältst, kannst du als Millionärin sterben …«
Es war ein doppelsinniger Satz. Chagrin glaubte nicht, daß Pascale ihn verstand. Sie ist nur Körper, dachte er. Sie denkt mit dem Unterleib, aber da hat sie den Intelligenzquotienten 200! Auch das muß es geben. Was wäre die Welt ohne sinnliche Weibchen …
Ellen Herder erholte sich schneller als Damms. Auch sie blieb noch einen Tag liegen und sagte zu Faerber: »Ich begreife nicht, wie das passieren konnte. Diese plötzliche Anhäufung von Pannen. Und Pascale war allein auf dem Schiff.«
Faerber verstand diesen Wink. Er nutzte die Ruhezeit aus, um den Fall zu untersuchen. Das Funkgerät war eindeutig ausgefallen, das hatte er gesehen. Er selbst hatte es ja repariert. Aber wie es möglich war, daß Pascale gebrauchte Sauerstoffflaschen auf Ellens Rücken geschnallt hatte, wollte ihm nicht in den Kopf. Die leeren Flaschen waren von den ungebrauchten deutlich getrennt; vorn am Bug lagerten die neuen, hinten am Heck die alten. Es konnte gar keine Verwechslung geben.
»Weiber!« sagte Chagrin abfällig, als Faerber mit ihm darüber sprach. »Ellen wollte unbedingt zu Ihnen 'runter, der Ausfall des Funkgerätes hat die Weiber in Panik versetzt. Wenn Pascale zu den leeren, statt zu den vollen Flaschen gelaufen ist, wer kann ihr das verübeln? Sie ist nach diesem Vorfall völlig am Boden zerstört. Sie macht sich Selbstvorwürfe, die schon nicht mehr gerechtfertigt sind. Nein, Hans, das war wieder so eine typische Verkettung von Zufällen, die das Leben manchmal so sauer machen und vor denen man machtlos dasteht.«
Damit war der Fall erledigt. Faerber sagte nach dem Mittagessen zu Ellen – er hatte gekocht, Nudeln und Gulasch aus der Dose – und war davon auch überzeugt:
»Wir werden von heute an auf jede gebrauchte Flasche einen großen roten Strich malen. Da kann es keine Verwechslungen mehr geben. Mein Gott, Ellen, vertragt euch doch! Wir sind hier alle aufeinander angewiesen. Wenn wir anfangen, uns gegenseitig aufzufressen, fallen wir wieder in die Urzeit der Menschheit zurück.«
»Sag es Pascale«, antwortete Ellen verbissen. »Ich bleibe dabei: Es war kein Unfall!«
In diesen stillen Tagen – es wurden vier heiße, langweilige, zähflüssige Tage voller geheimer Krisen in jedem von ihnen – entwarfen
Weitere Kostenlose Bücher