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Ein toter Taucher nimmt kein Gold

Ein toter Taucher nimmt kein Gold

Titel: Ein toter Taucher nimmt kein Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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waren wie Haustiere, die immer in der Nähe der Nuestra Señora blieben.
    Chagrin richtete sich auf. Um ihn war nur noch Nacht. Er hörte das Plätschern nicht mehr. Faerber schien mit kräftigen Schwimmstößen schnell voranzukommen. Aber zehn Kilometer lagen vor ihm – zehntausend Meter Meer und damit zehntausendmal der Tod …
    Nach den ersten Metern atmete Faerber auf. Er schwamm mit weiten Schlägen durch das schwach bewegte Meer. Er war nicht untergetaucht. Das Mundstück des Atemschlauches hatte er unter das Kinn geklemmt. Er wollte erst unter Wasser gehen, wenn er in Sichtweite der Piratenboote war. Das war nach den beiden Haien die zweite kritische Situation. Hatte er die Boote endlich hinter sich, schwamm er direkt in das unbekannte Abenteuer hinein.
    Der Mond über ihm war eine breite, auf und ab pendelnde Scheibe. Dünne Wolkenfetzen trieben um ihn herum. Faerber schwamm einen Stil, den er in der Studentenmannschaft von einem amerikanischen Trainer gelernt hatte: ein kräftiges Abstoßen mit den Füßen, dann ein Herausschnellen des Oberkörpers aus dem Wasser, ein starkes Wegdrücken mit den Armen. Es war, als schnelle sich ein Delphin durch das Meer und lasse mühelos Meter um Meter hinter sich.
    »Wasser ist hart!« hatte der Trainer immer gesagt. »Ihr könnt euch von ihm mit den Füßen abstoßen. Jungs, Wasser ist bretthart, wenn man's versteht! Ihr müßt lernen, übers Wasser zu gehen.«
    Auf diese Weise schaffte es Faerber in kurzer Zeit, aus dem Bereich der beiden Haie herauszukommen. Vielleicht schwamm er in ein anderes, von Raubfischen wimmelndes Gebiet. Aber merkwürdigerweise beruhigten ihn die Nacht und der völlig sinnlose Gedanke: Auch Fische schlafen. Auch sie wissen: Es ist Nacht, du mußt dich ausruhen.
    Daß es so etwas nicht gab, war ihm klar, aber es tat gut, in der Not daran zu glauben.
    Die ersten Boote. Ihre Lichter flimmerten über das Wasser. Faerber hörte das leise Klatschen der trägen Wellen gegen die Bordwände.
    Er steckte das Mundstück des Atemschlauches zwischen die Zähne, schob die Taucherbrille über das Gesicht und stieß nach unten. Langsam ließ er sich hinabsinken, bis die Leuchtziffern des wie eine Armbanduhr konstruierten Tiefenmessers die Zehn-Meter-Marke erreicht hatten. Dann schwamm er ruhig weiter. Völlige Dunkelheit umgab ihn, tiefste Schwärze. Es war ein fremdes, unheimliches Gefühl, in dieses Nichts hineinzuschwimmen, wo es keine Richtung mehr gab, keine Form, keine Bewegung, nur schwarze Unendlichkeit, das Herz bedrückende Beklemmung, Platzangst und das schreckliche Gefühl, von diesem Schwarz vollkommen aufgesogen zu werden.
    Fast zwanzig Minuten schwamm er in zehn Meter Tiefe durch diese blinde Wasserwelt und freute sich an dem winzigen phosphoreszierenden Schein des Zifferblattes seines Tiefenmessers. Ein Funken Leben, ein tröstlicher Gruß aus der Welt über ihm, der ihn daran erinnerte, daß die Schwärze um ihn herum vergänglich sein würde.
    Als er glaubte, die Boote untertaucht zu haben und weit genug von ihnen entfernt zu sein, knipste er den kleinen Stirnscheinwerfer an und war glücklich, in dem dünnen, schmalen Lichtstrahl einige herumschnellende schillernde Fische zu sehen, die neugierig an ihn heranflitzten, kurz vor seinem Kopf abdrehten und wie glitzernde Funken davonstoben.
    Leben! Köstliches Leben! Die Welt bestand weiter und war nicht im Schwarz der ewigen Nacht versunken! Langsam tauchte Faerber auf, schaltete den Kopfscheinwerfer aus und durchstieß wieder die Oberfläche des Meeres.
    Die Boote lagen weit hinter ihm, ihre Lichter schaukelten träge auf dem Wasser. Aber er hatte die Richtung verloren und schwamm parallel zur Küste. Er drehte deshalb ab. Wenn er die Boote im Rücken hatte, war das Land vor ihm. Das war die einfachste Orientierung, die es gab. Als er noch einmal den Kopf zurückwandte, sah er auch die Positionslichter der Nuestra Señora. Dann flammte plötzlich auf der entgegengesetzten Seite ein dicker, gebündelter Lichtstrahl auf. Chagrin saß hinter dem Scheinwerfer und strahlte die andere Bootsreihe an – ein Ablenkungsmanöver, das die Aufmerksamkeit aller Bootsbesatzungen auf das Schiff lenkte.
    Mit kräftigen Stößen schwamm Faerber zufrieden weiter. Und mit jedem Meter redete er sich ein: Das ist ein Kinderspiel! Nur in der Phantasie wachsen Gefahren ins Unermeßliche. Was ist schon dabei, wenn ein guter Schwimmer zehn Kilometer eines ruhigen, ja trägen Meeres überwindet? Gewiß eine sportliche

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