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Ein Toter zu wenig

Ein Toter zu wenig

Titel: Ein Toter zu wenig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Leigh Sayers
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Zivilisation wurden nicht mit Diamantengeschenken, Ringen von Kaiserinnen oder großzügigen Schecks von dankbaren Premierministern vergolten, sondern mit einem bescheidenen, aber ausreichenden Gehalt aus der Tasche des britischen Steuerzahlers. Nach einem langen Tag ebenso anstrengender wie fruchtloser Arbeit weckte ihn am nächsten Morgen der Geruch angebrannten Haferbreis. Durch das Schlafzimmerfenster, das aus Gründen der Hygiene oben und unten geöffnet war, wälzte sich langsam ein kalter Nebel herein, und der Anblick einer winterlich-langen Unterhose, die er gestern abend hastig über einen Stuhl geworfen hatte, kränkte ihn, indem er ihm die ganze Lächerlichkeit der menschlichen Gestalt vor Augen führte. Das Telefon klingelte, und er kroch mißmutig aus dem Bett und ging ins Wohnzimmer, wo Mrs. Munns, die ihm tagsüber den Haushalt führte, niesend den Frühstückstisch deckte.
    Mr. Bunter war am Apparat. »Seine Lordschaft läßt Ihnen ausrichten, Sir, daß er sich sehr freuen würde, wenn Sie es einrichten könnten, zum Frühstück hierherzukommen.«
    Wenn der Duft gebratener Nieren und Speck über die Leitung zu ihm gedrungen wäre, hätte Mr. Parker sich nicht getrösteter fühlen können. »Sagen Sie Seiner Lordschaft, ich bin in einer halben Stunde da«, erwiderte er dankbar und ging ins Bad, das zu gleich als Küche diente. Mrs. Munns, die soeben aus einem Kessel Wasser, das gar nicht mehr kochte, den Tee aufgoß, teilte er mit, daß er zum Frühstücken ausgehe. »Sie können den Haferbrei für die Kinder mit nach Hause nehmen«, sagte er boshaft und warf mit solcher Entschiedenheit den Morgenmantel ab, daß Mrs. Munns nichts weiter übrig blieb, als sich mit einem Schnauben zurückzuziehen.
    Ein Bus der Linie 19 setzte ihn nur eine Viertelstunde später, als sein sanguinisches Temperament ihn hatte ankündigen lassen, am Piccadilly ab, und Bunter servierte ihm vor einem flackernden Holz- und Kohlenfeuer ein herrliches Frühstück mit unvergleichlichem Kaffee nebst der  Daily Mail.  Von ferne verkündete eine singende Stimme mit dem »et herum venturus est« aus Bachs h-Moll-Messe, daß Reinlichkeit und Frömmigkeit für den Besitzer dieser Wohnung wenigstens einmal am Tag zusammenkamen, und bald darauf trat auch Lord Peter selbst, dampfend und nach Verbena-Öl duftend, in einem Bademantel mit unnatürlich farbenfrohem Pfauenmuster ins Zimmer.
    »Morgen, altes Haus«, sagte Seine Lordschaft, »scheußlicher Tag, wie? Nett von dir, daß du bei dem Wetter herkommst, aber ich habe hier einen Brief, den ich dir mal zeigen wollte, und konnte mich nicht aufraffen, damit zu dir zu kommen. Bunter und ich haben die Nacht durchgemacht.«
    »Was ist das für ein Brief?« fragte Parker.
    »Rede nie mit vollem Mund über Geschäfte«, versetzte Lord Peter tadelnd. »Koste noch von der guten Orangenmarmelade, dann zeige ich dir zuerst mal meinen Dante; man hat ihn mir gestern abend gebracht. Was müßte ich heute morgen lesen, Bunter?«
    »Die Sammlung von Lord Erith wird verkauft, Mylord. In der  Morning Post  steht etwas darüber. Ich meine auch, Eure Lordschaft sollten sich die Besprechung des neuen Buchs von Sir Julian Freke über  Die physiologischen Grundlagen des Gewissens  in der Literaturbeilage der Times  ansehen. Dann steht im  Chronicle  etwas über einen einzigartigen Einbruch, Mylord, und im  Herold  ein Angriff auf Adelsfamilien - ziemlich schlecht geschrieben, wenn ich das sagen darf, aber nicht ohne unfreiwilligen Humor, den Eure Lordschaft sicher zu schätzen wissen.«
    »Gut, geben Sie mir das und den Einbruch«, sagte Seine Lordschaft.
    »Ich habe auch die anderen Zeitungen durchgesehen«, fuhr Mr. Bunter fort, wobei er auf einen ansehnlichen Stapel zeigte, »und angestrichen, was Eure Lordschaft  nach  dem Frühstück lesen sollten.«
    »Reden Sie jetzt bitte nicht davon«, sagte Lord Peter, »sonst verderben Sie mir noch den Appetit.«
    Man schwieg, und es war nur noch das Knirschen von Toast und das Rascheln von Papier zu hören. »Ich sehe, man hat die Untersuchung vertagt«, sagte Parker nach einer Weile.
    »Blieb ihnen ja auch nichts anderes übrig«, antwortete Lord Peter, »aber Lady Levy ist gestern abend angekommen und wird heute morgen hingehen müssen, um Sugg zur Freude die Leiche nicht identifizieren zu können.«
    »Wird auch Zeit«, sagte Mr. Parker knapp.
    Es wurde wieder still. »Von Ihrem Einbruch halte ich nicht viel, Bunter«, sagte Lord Peter. »Gute Arbeit,

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