Ein Traum in roter Seide
herauszufinden, was er jetzt dachte. Sie konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, wie er die Sache beurteilte.
Sie schluckte, drehte sich auf die andere Seite und strich sich das Haar aus der Stirn. Zugleich bemühte sie sich, eine möglichst nachdenkliche Miene aufzusetzen, und hoffte, es würde ihr gelingen.
Aber als sie Tyler in Kevins cremefarbenem Bademantel neben dem Bett stehen sah, raubte es ihr den Atem. Mit der ge bräunten Haut erinnerte er sie an einen griechischen Gott.
Während sie seine Lippen und seine Hände betrachtete, stieg das Bild seines kräftigen, nackten Körpers vor ihr auf, den sie schon immer bewundert hatte und der ihr jetzt sehr vertraut war. Sie erinnerte sich, wie intim sie ihn berührt und geküsst hatte, überall, wenn auch nur für einen kurzen Moment. Tyler hatte nicht zugelassen, dass sie dabei bis zum Ende ging, aber er hatte sie herumgedreht, bis sie auf ihm saß und schließlich zum Höhepunkt gelangte. Danach hatte er sie auf den Rücken gedreht und war in sie eingedrungen. Wenig später hatte er 65
selbst den Höhepunkt erreicht.
Aber jetzt war Michelle wach und nicht mehr erschöpft. Und sie war nicht mehr rundherum zufrieden.
Du liebe Zeit, in welche Richtung wandern meine Gedanken?
überlegte sie schockiert. Ihr verkrampfte sich der Magen, und in ihrem Gesicht spiegelt e sich Entsetzen. Sie war sich nicht sicher, ob sie wirklich dieses sinnliche Wesen sein wollte, das Tyler aus ihr gemacht hatte.
Sie wollte weder von Sex noch von Tyler in irgendeiner Weise abhängig werden. Sie wusste besser als alle anderen, wie er Frauen behandelte. Zehn Jahre hatte sie beobachten können, wie immer neue Freundinnen kamen und gingen. Natürlich machten die Frauen es ihm zu leicht. Wie so viele andere hochintelligente Männer war Tyler rasch gelangweilt. Er brauchte Abwechslung und neue Herausforderungen, sonst erlosch sein Interesse an einer Person oder Sache. Es machte ihm Freude, da, wo andere versagt hatten, Erfolge zu erzielen.
Michelle erinnerte sich an sein Geständnis der vergangenen Nacht, dass er schon lange mit ihr hätte schlafen wollen. Sie hatte sich darüber gefreut. Aber jetzt wurde ihr klar, dass es weder etwas mit ihren schönen Augen noch mit ihrer guten Figur zu tun hatte. Sie hatte Tyler immer ignoriert und war die einzige Frau gewesen, die sich ihm nicht an den Hals geworfen hatte.
Bis gestern Abend ...
Zu allen anderen Emotionen, die in ihr aufstiegen, gesellten sich plötzlich Ärger und Verdruss. Es gefiel ihr nicht, eine von Tylers vielen Freundinnen zu sein.
„Oh", sagte Tyler spöttisch.
„Was soll das heißen?" fuhr sie ihn an.
„Du machst dich bereit zu kämpfen, das verrät mir dein Blick. Aber dieses Mal gehe ich nicht darauf ein, meine Liebe. Heute werde ich so lieb und nett sein, dass du keinen Grund hast, dich zu beschweren. Ich werde mit allem, was du sagst und willst, einverstanden sein." Er ließ sich aufs Bett fallen und streckte sich aus. Die Arme verschränkte er hinter dem Kopf, und die Beine schlug er übereinander. „Ich stehe dir zur Verfügung."
Natürlich hätte sie ihren Zorn und Ärger am liebsten an ihm 66
ausgelassen, aber er machte es ihr einfach unmöglich. Außerdem würde so, ein Zornesausbruch Zeit und Energie kosten. Und die setzte sie besser dafür ein, sich gegen die Versuchung zu wappnen, die Tyler für sie darstellte. Es fiel ihr schwer genug, den Blick von seinem ausgestreckten Körper abzuwenden. Sein Haar war noch feucht, demnach hatte er gerade erst geduscht. Er lag einfach da, als wartete er darauf, da weitermachen zu können, wo sie in der vergangenen Nacht aufgehört hatten. In Gedanken fing Michelle schon an, den Gürtel des Bademantels zu lösen, die Hände über Tylers muskulöse Brust gleiten zu lassen und seine Haut zu küssen bis hinunter zu ...
„Du hast Recht", stieß sie betont munter hervor, „es wird Zeit, dass ich aufstehe."
Erst als sie sich aufgerichtet und die Decke zurückgeworfen hatte, merkte sie, welchen Fehler sie gemacht hatte. Aber da war es schon zu spät. Es wäre geradezu lächerlich, wenn sie sich hastig etwas überziehen würde. Glücklicherweise kehrte sie Tyler wenigstens den Rücken zu.
So würdevoll wie möglich stand sie auf und durchquerte langsam den Raum und ging auf den Kleiderschrank zu. Es wäre ihr irgendwie erniedrigend vorgekommen, wenn sie sich beeilt hätte.
Zu wissen, dass er ihren nackten Rücken betrachtete, war beinah genauso unangenehm, als
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