Ein Traum von einem Schiff. Eine Art Roman
Nahrungsmittelgiganten auch nur einen Dollar in den übervollen Klingelbeutel zu werfen, täuschte nicht über meine fröhliche Aufgeregtheit hinweg, endlich in Panama, das erste Mal überhaupt in Mittelamerika, angekommen zu sein.
Wow. Panama.
Mich überkommt plötzlich so etwas wie nie gekannter Abenteuergeist, neugierige Entdeckerlust, rastloser Expeditionseifer und all das muss ich auch haben, denn mein Koffer ist der einzige, den das panamaische Fließband nicht in die stickige Halle befördert hat, als es in dieser Sekunde ruckelnd stehen bleibt.
Du lieber Himmel!
Das komplette Team oder doch das, wofür ich es halte, steht bereits jenseits des improvisiert angebracht wirkenden Zollbandes, das die Demarkationslinie bedeutet zwischen den Guten im Töpfchen und den Schlechten im Kröpfchen. Jetzt hätte man noch einen weiteren Bereich gebraucht für alle gepäcklosen Aschenputtel, und als ich um mich blicke, stelle ich fest, dass es nur ein einziges Puttel gibt und das trägt den Vornamen Christoph.
Wie kann das möglich sein?
Handelt es sich um einen seeehr spätpubertären Streich unserer fleischgewordenen Knoblauchzwiebel?
Ist es vielleicht so ein infantiles Initiationsritual, das alle über sich ergehen lassen müssen die vom
Traumschiff
defloriert werden?
Oder sind
noch
höhere Mächte am Werk, die mir mal einen mitgeben wollen, da ich all meine Demut und Dankbarkeit bislang hatte fahren lassen, und eigentlich immer nur versucht habe, dieser Reise auszuweichen, statt sie auch nur ein einziges Mal mit positiver Energie und einer Verneigung willkommen zu heißen?
Zu viele Fragen. Zu wenige Antworten. Und vor allem: Kein Koffer. Meine Güte! Die Tragweite dessen wird mir erst allmählich klar: Kein frisches Hemd, keine Unterhose, kein Buch, keine DVD , kein Rasierapparat, keine Zahnspange, weder das vertraute Eau de Toilette noch das Kondom meines Vertrauens. Nichts.
Stattdessen bin ich auf unbestimmte Zeit nur mit dem ausgestattet, was ich grad trage, Hemd, Jeans, Schlüpfer, die ich nun Tag für Tag notdürftig im Becken der Nasszelle meiner Kabine werde durchwaschen müssen. Ohne »Rei in der Tube« gucke ich in die Röhre und muss bestimmt eine Seife zweiter Wahl benutzen, die aus einem fest installierten Spender tropft und schon fürs Händewaschen kaum in Frage kommt – alles, was ich zum Leben brauche, ist in meinem Koffer, meiner Hartschale, meinem Gral. Das kann nicht sein!
Ich beschließe, dass es sich bei diesem ganzen Theater hier um einen Sketch handelt, aufgeführt von Wolfgangs 1. privatem Wander-Flohzirkus, dessen Hauptdarsteller mir gerade über die Leber liefen, und von allen meinen Kolleginnen und Kollegen, die danach dürsten, dem ersten freiwilligen Komiker an Bord mal eins auszuwischen bzw. zu sehen, wie humorvoll er eigentlich wirklich ist.
Und auf einmal ist es wieder da, das mit vielen Medikamenten wegtherapierte Ereignis, das Trauma, das ich mir vor einigen Jahren eingefangen habe:
Es ereignete sich in Prag während der Dreharbeiten zu dem Kinofilm
Hui Buh, das Schlossgespenst
, in dem ich den König Julius, den 111., spielte. Der Film war hochkarätig besetzt mit Rick Kavanian als meinem ergebenen Freund und Diener Charles, mit Bully in der Titelrolle, mit Heike Makatsch als meiner Geliebten und aristokratischen Frau, Gräfin Etepetete, und vor allem mit Hans Clarin in seiner letzten Rolle als treuem Kastellan des Schlosses zu Burgeck. Budget, Cast und Stoff waren Anlass genug für Europas größtes Kinomagazin
Cinema
bei den Dreharbeiten vorbeizuschauen, um eine mehrseitige exklusive Geschichte mit Fotos und Hintergrundberichten in einer der Ausgaben kurz vor Kinostart zu platzieren, in der natürlich Interviews mit den Hauptdarstellern nicht fehlen durften.
Ich wurde an einem drehfreien Samstagvormittag in die im Prager Speckgürtel befindlichen Filmstudios gebeten. Wie abgesprochen, holte mich ein Wagen an meinem kleinen Apartment, das sehr schön mitten im Zentrum der tschechischen Hauptstadt im alten Judenviertel unweit der Moldau gelegen war, ab, und wir fuhren los.
An Werktagen brauchte man dreißig, am heutigen Samstag schätzte ich die benötigte Zeit auf unter zwanzig Minuten, und so entspannte ich mich für einen Moment im Fond des Wagens, ohne der Tatsache, dass ich den Fahrer nicht kannte und er mir einen Umschlag für den C
inema
-Redakteur in die Hand gedrückt hatte, Bedeutung beizumessen. Kaum hatten wir nach der Hälfte der Strecke die Vorstadt
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