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Ein Traum von einem Schiff. Eine Art Roman

Ein Traum von einem Schiff. Eine Art Roman

Titel: Ein Traum von einem Schiff. Eine Art Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Maria Herbst
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erreicht, wurden wir, anscheinend routinemäßig, von einer Polizeistreife rausgewunken.
    Die Polizisten in Prag sehen furchteinflößend aus in ihren schwarzen Uniformen mit den silbernen Knöpfen, den achteckigen Mützen, den hellen Streifen an den Hosenbeinen, die die Bügelfalten wie zementiert aussehen lassen, und hochgerüstet, wie sie sind.
    Ich ließ mich nicht aus meinem Entspannungsmodus reißen, der tschechische Fahrer dürfte ja wohl alles im Griff haben, bis dieser aussteigen musste, da er leider seinen Führerschein nicht dabei hatte. »Ich hab meinen nie dabei«, dachte ich noch schmunzelnd, als meine Tür aufging und man auch mir, eher bestimmt als freundlich, auszusteigen befahl; zumindest reimte ich mir diesen Befehl so zurecht, da Körpersprache universell ist und mein Tschechisch etwa so gut wie mein Kisuaheli.
    Ab da ging dann alles recht schnell: Ich sah noch, wie man meinen Fahrer mit Handschellen in das geostblockte Äquivalent der deutschen Grünen Minna pferchte, die sofort so schnell abfuhr, dass ich gar nicht mitbekam, dass ich, mittlerweile breitbeinig und mit den Händen auf dem Autodach, von einem der insgesamt sechs Gesetzesvertreter auf Drogen, Sprengstoff oder Was-weiß-ich-was abgeklopft, nein, relativ brutal durchsucht wurde. Meine kurzen deutsch-englischen Versuche, Klarheit in die Angelegenheit hineinzuformulieren, waren von ähnlichem Erfolg gekrönt, wie wenn man versucht, einem Naturvolk zu erklären, wer Dieter Bohlen ist.
    Also ließ ich’s und versuchte, Ruhe zu bewahren, was mir aber nicht gelingen wollte, denn im selben Moment konfrontierte man mich mit dem Inhalt des Umschlages, den ich dem Reporter des Filmmagazins zu übergeben hatte: Es waren Fotos leicht, aufreizend bzw. gar nicht bekleideter junger Frauen oder Mädchen, so genau konnte ich das nicht sehen, verschärften sich doch Ton und Tempo der schwarzen Sheriffs im Quantensprung. Hektisch wurde mit dem Bildmaterial vor meiner immer blasser werdenden Nase herumgefuchtelt, und ich erinnere mich noch, wie ich mich damals schon nicht entscheiden konnte, was mich denn nun am meisten um den Verstand brachte: dass ich zu Unrecht beschuldigt wurde oder dass ich nicht kommunizieren konnte.
    Meine Gottergebenheit, deren Merkmale sicher darin bestanden, dass ich ebenso meine Mundwinkel hochzog, wie meine Augenbrauen, Schultern und unkontrolliert auch meine Nase, wurden von dem zunehmend ungehaltenen Sextett bestimmt als deutsche Arroganz missinterpretiert, und ich musste damit rechnen, im Moment der Hauptschuldige für sämtliche bilateralen Missstände zwischen Deutschland und Tschechien zu sein: von der lange Zeit verfehlten deutschen Ostpolitik, über die Ausbeutung und Aussiedlung von Tschechen im letzten Jahrhundert, bis hin zu der immer noch nicht restlos beantworteten sudetendeutschen Frage.
    Selbstverständlich hatte ich zu allen diesen Themen eine fundierte, glasklare Meinung, aber was nützt diese, wenn man sie nur akustisch versteht, nicht aber inhaltlich – gut, im Moment war ich ganz froh, nicht verstanden zu werden, das eine oder auch andere hätte ich vielleicht doch noch mal nachschlagen müssen.
    Nichtsdestotrotz zwang mich der exekutivgewaltigste der Gruppe, der mit der lautesten Körpersprache, den Kofferraum zu öffnen. Ich verwies händeringend darauf, dass dies nicht mein Wagen sei und ich deshalb auch nicht daran dächte, irgendwelche Räume zu öffnen, gab jedoch schließlich klein bei und schloss auf.
    Mir fiel fast das Gesicht auf den Asphalt: meine angstgeweiteten Augen sahen ein ca. eineinhalb Meter langes, funkelnagelneues, braun glitzerndes Sturmgewehr, eine Kalaschnikoff AK 74 mit Drehkopfverschluss und Gasdrucklader. »Ach, du Scheiße! Jetzt bin ich aufgeflogen!«, stotterte ich unverständlich und merkte plötzlich, dass man das als Schuldeingeständnis hätte missverstehen können. Gleichzeitig sah ich ein merkwürdiges Grinsen über das eine oder andere schlecht rasierte Gesicht huschen, ein Grinsen, das mir Anlass genug war, einfach mal ein paar Blitz-Vater-Unser zu beten.
    Ich musste wohl unbewusst die Hände gefaltet haben, denn schon waren auch
meine
Handgelenke aneinandergekettet und das Schloss der Handschellen schnellte mit einem deutlichen, mir nur aus Western bekannten, »Krrrrrrrrrtt« zu. Unsinnigerweise schubste man mich nun wieder Richtung Motorhaube und versuchte mich, gestenreich, sehr lautstark und mimisch so reduziert wie entschlossen dazu zu zwingen, das

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