Ein Traum von einem Schiff. Eine Art Roman
vorbereitete, die alle nach RTL -Film oder ZDF -Montagskino klangen:
»Das alles muss ein Missverständnis sein!«,
»Ich habe das Recht auf einen Anwalt«,
»Lass meine Frau und meine Kinder da raus. Das ist eine Sache zwischen dir und mir!«
Unfassbar, wie nah die Fiktion an der Realität war. Oder doch eher umgekehrt? Alles verschwamm, und als läse man jetzt auch noch meine Gedanken, griff der große Klischee-Kasper in seinen Sack und holte die klassische FBI -Büroschreibtischlampe raus – die, die man immer für die Kreuzverhöre benutzt –, und schon brannte mir das Licht einer klaren 60-Watt-Birne in den Augen.
Als wolle man den stechenden Schmerz zu lindern versuchen, erfüllte auf einmal eine Stimme den Raum, die warm und ruhig war, und vor allem deutsch sprach, wenn auch gebrochen. Sie machte mich auf meine Rechte aufmerksam, brauchte dafür aber maximal dreißig Sekunden, und führte mir dann vor die immer noch geblendeten Augen, dass alle Indizien gegen mich sprächen und ich gestehen solle, das sei sicher das Beste.
»Für wen?«,
platzte es aus mir heraus, worauf ich von einer tschechischen Dampframme niedergewalzt wurde, die man auf der anderen Seite der Lampe positioniert hatte, und die mich jetzt in markerschütternder Lautstärke und sicher auch unflätig in dieser so fremden Sprache zusammenstauchte – der Klassiker: Guter Cop, schlechter Cop! Das Ganze ging gefühlte vierzig Minuten genauso weiter, immer Zuckerbrot, dann Peitsche, Lamm und Wolf, Dick und Doof, Karel und Gott, bis man mich packte und in die Zelle warf, in der ich eben schon schemenhaft einen Häftling hatte sitzen sehen.
Ein schnauzbärtiger Mann von über zwei Zentnern quoll, wie festgewachsen, über seine Bank, und ich setzte meine letzten Krümel Hoffnung darauf, dass er bitte, bitte eine Hete sein möge, denn alles andere würde mir jetzt endgültig den Arsch aufreißen. Der letztlich merkwürdig asexuell wirkende Herr stellte sich als Deutscher heraus, der vier Abende vorher, quasi von der Tanzfläche eines Freundes weg, der eine private Party gefeiert hatte, deportiert wurde und dem man seitdem anwaltliche Hilfe, warmes Essen und eine Dusche verweigerte.
Aber das sei doch nicht möglich, hielt ich schwach und zunehmend weinerlich dagegen, immerhin befänden wir uns in der Europäischen Union, auch wenn unsere Währung noch nicht die hiesige sei, müsse es doch ansonsten mit rechten Dingen zugehen, verdammt nochmal – so fluchte ich wohl –, und fünf Sekunden später platzte mein Mitgefangener. Vor Vergnügen.
Der riesige Berg vor mir fing an zu rumoren, was in ein Zittern überging und schließlich in einem Beben mündete. Dabei kippte er seinen Kopf in den Specknacken, schrie sein Lachen förmlich an die Zellendecke, und um ein Haar dachte ich, der Leibhaftige sitze vor mir und mutiere vor meinen Augen zu einer neuen Ausgeburt, als er plötzlich innehielt, die rechte Augenbraue hob, mir bedrohlich nahe kam und ins Gesicht atmete:
»Du merkst gar nichts, was?«
Als sei dies ein verabredetes Codewort, tat sich im selben Moment die Zellentür auf, die Wand hinter ihm fuhr zur Seite und aus allen Ecken und Kanten kamen äußerst geschäftig wirkende Menschen, teils mit Headsets, teils mit Klemmbrettern, in Walkies reinsprechend und auf Broten kauend, aus deren Mitte der kleinste und am wichtigsten scheinende vor mich hintrat, cäsargleich die rechte Hand hob, worauf sofort Ruhe ausbrach, und alsdann mit ausgebreiteten Armen und falschem Lachen in eine der Ecken des Raumes rief:
»Herzlich willkommen bei der
Versteckten Kamera
!«
Mein vermeintlicher Leidensgenosse ermunterte mich, es ihm nachzutun, zu lachen und in diese Ecke zu schauen, und da sah ich es dann auch: das kalte Glas eines Kameraobjektivs, so wie ich nach und nach im gesamten Raum dieser
Truman Show
für Arme Kameras entdeckte. Hatte ich meinen Zellennachbarn eben noch für den Teufel gehalten, stellte ich nun fest, dass es auf einmal ganz viele von ihm gab.
Sie lachten, winkten, umarmten mich, teilweise mit den Worten »War nicht so schlimm, ne?«, und nun kam der selbsternannte Höhepunkt: Ich durfte persönlich meinem specknackigen Kollegen die Perücke vom Kopf und den Schnurrbart aus dem Gesicht ziehen. Ich tat’s. Wer nun aber denkt, dass darunter Kai Pflaume, Frank Elstner oder Kurt Felix und Paola zum Vorschein kamen, hat weit gefehlt. Es war ein mir ganz und gar Unbekannter. Ein sogenannter Lockvogel, der wie
Weitere Kostenlose Bücher