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Ein Traum von einem Schiff. Eine Art Roman

Ein Traum von einem Schiff. Eine Art Roman

Titel: Ein Traum von einem Schiff. Eine Art Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Maria Herbst
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eine griechisch-römische Grotte verwandelte. Fenster ließen sich in diesem Hotelhochhaus aus Angst vor Selbstmordversuchen nicht öffnen und selbst wenn, hätte es mir nicht geholfen, das Bad hatte keins. Und da fiel mir auf, was das Waschbecken nicht hatte: eine Überlaufsicherung! So ein Irrenhaus! Bin noch nicht mal auf dem dämlichen Dampfer und schon halb ersoffen.
    Ich will nach Hause!
    Dieses Montagsbecken musste von den Brüdern gebaut worden sein, die für die Wasserleitungen zuständig waren und alle zusammen hatten sie bestimmt Kölsche Vorfahren. Zu allem Überfluss passierte mit der Suppe genau das, was ich eben schon halluziniert hatte: Sie brodelte, warf Blasen und schäumte mit sich um die Wette. Erste Schaumberge rannen bereits über den Beckenrand und in ihrem Gefolge würde das Wasser sicher nicht mehr lange auf sich warten lassen. Ich hatte richtig orakelt: Der Supergau traf ein, und ich stand rum, als würde ich bei einer Party auf das Fingerfood warten.
    Ich konnte einfach nicht glauben, was ich hier sah, tapste schließlich in meiner Verzweiflung ein paar Schritte Richtung Badezimmertür und überlegte, einfach die Tür zuzumachen, abzuschließen, wie der Blitz auszuchecken und den sanitärdiplomatischen Rest unsere weitgereiste und wortgewandte, mehrsprachige Aufnahmeleiterin machen zu lassen. Hoffentlich hatte sie noch einen weiteren silbernen Koffer, diesmal aber aus Gold.
    Der Schaum schäumte ohne Ende, das Wasser wässerte unaufhörlich, doch mit einem Mal schien Rettung ganz nah. Über der Wanne blitzte mich etwas an, das wie ein … Haupthahn aussah. Wenn sich dieses Ventil bewegen ließ und nicht duchdrehte oder gleich abfiel und ein Fähnchen aus der Wand kam, auf dem »Ätsch!« stand, war es meine Rettung. Ich lief darauf zu, kam aber nur einen Schritt weit, weil ein gellender Schrei mich aufhielt. Es war mein eigener. Ich stand mit nackten Füßen in kochend heißem Wasser.
     
    »Heißheißheißheißheißheißheiß!«
     
    Damit hatte ich die Gesamtsituation auf den Punkt gebracht. Wie ein Kind in einer Pfütze planschte ich mit den Füßen herum, wobei ich eine erstaunliche Schnelligkeit und Begabung darin hatte, im Takt meines Ausrufs die Beine hochzureißen: Auf jedes »Heiß!« war ein anderes an der Reihe, und die Schlagzahl hatte was von einem Presslufthammer.
     
    »Heißheißheißheißheißheißheißheiß!«
     
    Ich quiekte, als könnte ich damit Einfluss auf die Temperatur nehmen, und zum Glück trieb mich meine gewagte Choreographie auf den Zimmerflur raus und nicht weiter in das Bad hinein. Meine Fußsohlen bedurften dringender Kühlung. Sie qualmten und fühlten sich auch an, als würden sie brennen, also musste ich sie löschen. Der Weg zum Wasser war mir aber durch Wasser blockiert, so dass ich an die Wanne nicht mal denken musste. Unaufhörlich hörte ich das überlaufende Becken. Es war absolut keine Zeit zu verlieren.
    Da fielen meine schreckgeweiteten Augen auf die Minibar. Sie sehen und ihre kleine Tür aufreißen, war eins. All die kleinen Jim Beam- und Wodkafläschchen, die Schokoriegel, Wasabinüsschen und Chips umschloss ich mit dem Unteram und zog sie mit einer einzigen impulshaften Bewegung aus ihrem kalten Käfig. Ich legte mich auf dem grob gewebten Teppich auf den Rücken – es war mir komplett wurscht, dass ich splitterfasernackt auf dem reingetretenen Schmutz vergangener panamaischer Jahrzehnte lag – und hievte meine Beine so hoch, dass meine nach Löschwasser geradezu schreienden Füße auf dem Gitter der Bar zu liegen kamen.
    Gott, tat das gut!
    Warum hatte ich das nicht schon früher gemacht nach langen Wanderungen oder Drehtagen?
    Bar-fuß. Herrlich.
    Immer tiefer drang ich in dieses frostige Labsal ein und hätte darüber fast meine wirkliche Baustelle vergessen.
    Noch war nicht die Zeit, die Füße hochzulegen. Ich erblickte, wie vom Schicksal in meinen Fokus gerückt, einen hölzernen Papierkorb unter dem Schreibtisch. Den wollte ich mir schnappen, um in ihm, wie Moses seinerzeit im Schilfkästchen den Fluss hinuntertrieb, zum mutmaßlichen Haupthahn zu schippern, und mit ein wenig Glück gelang es dann auch mir, die Fluten zu teilen.
    Leider kam es anders: Ich zog meine Beine heran und der Kühlschrank folgte ihnen nach. Ich zog weiter, er zog mit. Er gab sie nicht frei. Sie mussten binnen weniger Minuten an der vereisten Rückwand festgefroren sein. Wenn ich in dieser Dampfsauna genug Luft zum Einatmen gehabt hätte, ich hätte vor

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