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Ein Traum von einem Schiff. Eine Art Roman

Ein Traum von einem Schiff. Eine Art Roman

Titel: Ein Traum von einem Schiff. Eine Art Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Maria Herbst
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Verzweiflung die komplette Karibik zusammengeschrien. Stattdessen fasste ich nach meinen Waden, riss und zog und rüttelte und rappelte, und auf einmal gab es ein Geräusch wie von einem herunterfahrenden Generator. Eindeutig: Der Kühlschrank hatte seinen Geist aufgegeben.
    Im günstigsten Fall war nur der Stecker aus der Dose gerutscht. Unmöglich konnte ich jetzt so lange warten, bis das ganze Teil abgetaut war. Also richtete ich mich zur Hälfte auf, bekam das Tischbein zu fassen, zog mich an ihm hoch und kippte mit meiner Box um neunzig Grad nach vorne, so dass ich in ihr zu stehen kam.
    Wow. Sportlich.
    Aber natürlich noch lange nicht gut genug. Ganz und gar phantastisch wäre es gewesen, wenn jetzt eine Dame vom Housekeeping reingeplatzt wär, um dem ganzen Spuk ein Ende zu setzen, aber die Erleichterung überwog, dass niemand kam, denn sie hätte einen Deutschen gesehen, der komplett nackt in einer ausgeleerten und umgekippten Minibar festgefroren war, die sich in einem Zimmer befand, von dessen umdampften Fenstern es nass troff und dessen Flurteppich langsam die Farbe wechselte, da die Flut inzwischen den Wohnbereich erreicht hatte.
    Ich musste sie stoppen. Mein Eigengewicht hatte das Verwachsen-sein mit meinem großen, frostigen Hausschuh nur noch verstärkt. Wie um alles in der Welt sollte ich mich von ihm befreien? Da kam mir die geniale Idee: Ich besann mich meines eigenen Flüssigkeitsvorrats und wollte mich freipinkeln. Die geschätzten 37 Grad, die in einem riesigen Schwall auf den eisigen Rücken des Möbels herunterregneten, würden sicher rasch dafür sorgen, dass mich der Kühlschrank freigab und so griff ich nach meinem Gemächt und forderte es mit einem gedachten »Wasser marsch!« auf, zu zeigen, was in ihm steckte.
    Ich wartete und wartete, dachte den Befehl immer lauter, wartete, aber das Ergebnis war erschreckend. Ich musste einfach nicht und wäre darüberhinaus durch meine Angespanntheit sicher auch bei voller Blase nicht in der Lage gewesen, müssen zu können, und so löste sich lediglich eine einzelne, jämmerliche gelbe Perle, die auch noch danebentropfte.
    Mit Würde hatte all das hier eh längst nichts mehr zu tun. Die war auch in meinem verschwundenen Koffer und klang eh immer nur nach Konjunktiv. Dann musste ich halt mit dem Schrank, wenn es nicht ohne ging. Also beugte ich die Knie, wie ich es oft genug bei Jens Weißflog gesehen hatte, hielt mich an den Wänden des Schränkchens fest und hüpfte in ruckartigen, aber kleinen, äußerst anstrengenden Bewegungen Richtung Bad. Dies gelang mir in demselben Maß, wie ich mir lächerlich vorkam, aber schließlich wollte ich keine Medaille bei der panamaischen Nudistenolympiade gewinnen. Dies war Pflicht, nicht Kür.
    Ich wagte den finalen Hüpfer in das Zentrum des Übels. Um mich platschte und dampfte es in einem fort, und ich war mir sicher, dass der Arbeitsplatz des Wächters der griechischen Unterwelt nicht anders ausgesehen hatte, auch wenn der keinen Electrolux Frigo 2000 als Boot benutzt haben dürfte. Ich war mit meinem Kahn aber ganz zufrieden, vor allem, weil er dichthielt und der siedende Sud keine Chance hatte, mich ein weiteres Mal zum Gespött meiner Selbst zu machen.
    Just in diesem Moment schwamm etwas Bekanntes an mir vorbei, nur um ein Vielfaches geschrumpft. Meine Unterhose. Hoffnungslos eingelaufen und in dieser Größe nicht mal mehr in der Lage, ein Ei zu bedecken.
    Doch schließlich gelang mir das schon kaum mehr für möglich Gehaltene: Ich war dem Haupthahn so nah wie nie. Ich beugte mich weiter vor, ohne den Halt zu verlieren, erwischte das Ventil und drehte es zeitgleich mit einem Stoßgebet nach rechts. Ich drehte und drehte und gab die Hoffnung nicht auf, dass mein Tun irgendeinen richtungsweisenden Einfluss auf dieses Drama haben könnte, und – es war wie ein Wunder: die Quelle versiegte, der Wasserfall verebbte, und ich tat eine letzte, die entscheidende Drehung, und siehe, alles ward ruhig und tiefer Frieden lag über den Wassern.
    Wow. Panama.
    Mein stoßweise gehender Atem war das Einzige, das die Stille durchbrach. Ich war nassgeschwitzt und hatte eiskalte Füße, Füße, die langsam wieder ihrer eigentlichen Tätigkeit nachgehen konnten, da der Gletscher unter ihnen nachgegeben hatte, und dann dachte ich: »Ich glaub’s nicht! Jetzt regnet’s auch noch!«, da ich ein lauter werdendes Prasseln von draußen hörte. Fast freute ich mich über die unerwartete Erfrischung für dieses von Hitze so

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