Ein Traum von einem Schiff. Eine Art Roman
gebeutelte Land, als ich fassungslos um die Ecke schaute: Hitze und Dampf mussten für das Unfassbare gesorgt haben: In meinem Apartment war die Sprinkleranlage angegangen. Ich war in Schockstarre, hatte genug damit zu tun, mich am Leben zu erhalten, und selbst das schien mir nicht mit Sicherheit zu gelingen. Durch diesen subtropischen, häuslichen Regen hindurch, der auf mich, einen Fernseher, eine Ledercouch und ein Bücherbord niederging, nahm ich plötzlich draußen – ich war auf der sechzehnten Etage – die Umrisse eines Objektes war, eines Objektes, das flog.
»Jetzt bin ich fällig. Oder reif. Je nachdem«, war mein letzter Gedanke, als mit einem lauten Knall die größte Scheibe des Zimmers in tausend Einzelteile zerbarst und ich mir reflexartig eine Hand vor das Gesicht und die andere vor meine Scham hielt, obgleich ich genügend Scham bereits in meinem Gesicht vermutete. Wie eine marmorne griechische Skulptur muss ich da gestanden haben, als sich das unbekannte Flugobjekt als Helikopter entpuppte, dessen schwarz gekleidete Besatzung zu rufen schien. Riefen sie nach mir? Ja! Ja, sie schrien geradezu, winkten, immer lauter, immer heftiger, und vorsichtig tat ich einen Schritt nach dem anderen, einen nach dem anderen, bis ich der schwindelerregenden Höhe gewahr wurde, in der ich mich befand und die ohne Scheibe noch mal eine ganz andere Ansage war.
Klein und bunt sausten die Autos zu meinen Füßen herum, eine große Menschentraube hatte sich vor dem Eingang des Hotels gebildet, die zu mir hochschaute und in deren Mitte ich ein großes, leicht faltiges Kreuz sah, das ich erst auf den zweiten Blick als Sprungtuch identifizierte. »Jetzt übertreiben die aber wirklich. Das bisschen Wasser!«, meinte ich zu mir, woraufhin eine der Einsatzkräfte aus dem Hubschrauber auf Englisch zu mir rüberrief, ich solle springen, sonst müsse ich sterben, das ganze Haus stehe unter Wasser.
Anschreien lasse ich mich schon mal gar nicht, schrie ich zurück, und dass ich ja wohl eher stürbe, wenn ich springen würde, was er mit einem auf mich gerichteten Gewehr beantwortete, das mir noch mal mit ganz anderer Eindringlichkeit die Ernsthaftigkeit seiner Aufforderung vor Augen führte. Es war jetzt nicht der richtige Augenblick für Diskussionen, aber es war niemals der richtige Augenblick, von einem Hochhaus zu springen, wenn nicht wirklich offensichtlich Lebensgefahr bestand.
Von der anderen Seite des Raumes hörte ich plötzlich ein leises »Housekeeping! Housekeeping!«, und das brachte mich auf die rettende Idee, selbstverständlich, wenn überhaupt, durch das Treppenhaus nach unten zu gehen. An meinem Adamskostüm konnte ich nun mal nichts ändern, und schon nahm ich die Beine in die Hand, lief so schnell ich konnte zur Apartmenttür, worauf die fliegende Einheit unglaublicherweise eine Salve auf mich abfeuerte. Ich duckte mich weg, der Regen gab mir zusätzliche Deckung, und ich erreichte schnaufend und unverletzt die Tür, die ich sofort aufriss. Vor mir stand Wolfjang Rademann, nass bis auf die Knochen, vollkommen nackt, wie ich, aber mit einer Plastiktüte in der einen Hand und einer Scheibe Brot in der anderen, die mit einer dicken Schicht Butter überzogen war und in der kleingeschnittener Knoblauch stak. Er starrte mich an und sagte schließlich:
»Samma, wat machst du eijentlisch für ’ne Scheiße. Willste misch ruinieren? Ick wusste, dit war n Fehler, disch mitzunehm’. Du machst allet nur kaputt. Und jetzt iss!!«
Und damit streckte er mir seine getoastete Stinkbombe entgegen, die sich drohend an meinen Mund heranarbeitete.
»Nee, nee, jetzt nicht, Wolfgang! Ich hab gerade andere Sorgen!«
»Du isst jetze!«
»Nein, bist du verrückt?! Meine Füße stehen in Flammen, ich sauf hier ab, hab grad meine Unterhose verloren und soll jetzt deinen Scheiß-Knoblauch essen?«
»Iss oder spring!«,
schrie er mich an und kam mit seinem wuchtigen, behaarten Leib und dem Brot in der vorgehaltenen Hand auf mich zu.
Ich weiß nicht mehr, wovor ich entsetzter zurückwich: seiner Erscheinung, an der vieles hing und manches baumelte, oder dem angebissenen Etwas, das er wie eine ABC -Waffe pendelgleich vor mir hin- und herbewegte, als wolle er mich hypnotisieren. Unmerklich beschleunigte Wolfjang sein Tempo, trieb mich weiter vor sich her und stoppte die Verfolgungsjagd erst einen Schritt vor der klaffenden Wunde des Raums, die eigentlich ein prächtiges Panamapanorama bot.
In der Winzigkeit einer
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