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Ein Traum von einem Schiff. Eine Art Roman

Ein Traum von einem Schiff. Eine Art Roman

Titel: Ein Traum von einem Schiff. Eine Art Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Maria Herbst
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Farbe einer Cocktailkirsche.
    Zudem riecht sie nach umgekippter Sahne, die geruchlich eine explosive Mischung mit ihrem Eau de Cologne eingeht. Ihr Gesicht, so möchte ich es einfach mal bezeichnen, ist allerdings das Erstaunlichste: es hat nicht nur den Faltenwurf, sondern auch den Farbton getrockneter Feigen, ihre Zähne sind unnatürlich groß, kalkweiß und auf dieselbe Länge geschliffen, und senkt man den Blick, so ist da einfach kein Hals, denn davor hängt ein zweites Kinn, das ein Special-Effect-Maskenbildner nicht besser hätte dranflanschen können, und das mich an den mit vielen Fischen gefüllten Beutel eines Pelikans erinnert. Wie zum Ausgleich ist sie wahnsinnig freundlich, lächelt mich geradezu flirtig an und flötet in breitestem Schwäbisch:
     
    »Sind Sie net …?«
    »Ja, der bin ich!«,
     
    unterbreche ich sie, da ihr mein richtiger Name eh nicht einfallen wird und ich im Moment keinen Bock habe, den Namen des bewussten Versicherungsangestellten zu hören.
     
    »Hanoi, dass ich Sie amol kennelerne. Toll. A ganz andre Stimm henn Sie joa, aber Sie sehed genauso aus wie in Ihrer Särie!«
    »Na ja, ein bisschen was fehlt da schon noch, oder?«
     
    Ich streiche mir über Mund und Kinn.
     
    »Sicher, sicher. Sie sind jetzt net gschminkt und glänzed sehr schtark. Wie goaht es Ihne denn inzwische?«
    »… äh … inzwischen?«
    »Na ja, ma liest ja so allerhand, und in ledzschder Zeit ging’s do net so guat.«
     
    Mich ärgert, dass anscheinend wieder irgendein Mist in irgendeinem Schweineblatt geschrieben worden ist und meine Pressefrau mir das nicht mitgeteilt hat.
     
    »Alles gut, alles gut! Danke, dass Sie fragen. Total gut.«
    »Saged Sie, und Sie spieled da ja wohl nur a Rolle, nicht? Wie schaut’s denn mit de Fraue in Ihrem Läbe aus?«
     
    Ich befürchte, dass sich der freundliche Erdapfel hier auf die Reservebank setzen will.
     
    »Danke!«, beschwichtige ich, »ich komme zurecht und zum Zuge. Sie müssen sich auch da keine Sorgen machen!«
     
    »Ach Gottle, Hauptsach, Sie benutzed Kondome. Stelled Sie sich emal vor, jemand wie Sie pflanzt sich uf emal ford!«
     
    Plötzlich prustet sie los, und ich beschließe, lieber das Klo in meiner Kabine auszuprobieren.
     
    »Dann … geh ich mal rasch eins überstreifen!«,
     
    sage ich noch lächelnd und schummle mich an ihr vorbei.
     
    »Guts Nächtle! Und schee, dass wa uns hier an Bord jetztadle öfters mal sehen. Tschüssle, Herr Uecker!«
     
    Ich schlafe unruhig in dieser Nacht.
    Mir ist sehr warm.

8
    Die Nacht darauf
    Wieso ich?
    Was hab ich ihm getan?
    Was hab ich falsch gemacht?
    Warum rächt er sich so urplötzlich, dieser – Montezuma?
     
    Seit einigen Stunden sondert mein Bauch Geräusche ab, als solle die neue Kölner U-Bahn auch durch meinen Körper geführt werden. Fühlen tu ich mich allerdings wie das Stadtarchiv. Es rumpelt, hämmert und klopft, und zum ersten Mal wurde ich dieser, nun, Kakophonie gegen 2.35 Uhr gewahr.
    Ich wachte aus der Tiefschlafphase kommend auf und sagte einfach nur: »Herein!«, bis ich der Quelle der neuen Tonkulisse auf die Spur kam, ohne zum Glück eine zu sehen. Das Einzige was nass, ja, geradezu pitschnass war, war mein T-shirt. Ich musste unglaublich geschwitzt haben, so als habe mein Verdauungsapparat sich auf unkonventionelle Weise einiger Dinge zu entledigen versucht, indem er sie einfach von innen nach außen drückte, mit meiner Haut als Sieb. Immerhin, das hatte ich mal in einer Zeitschrift gelesen, ist die Haut das größte Ausscheidungsorgan des menschlichen Körpers. Mir war nicht klar, dass mein Zwölffingerdarm diesen Artikel auch gelesen hatte.
    Und so liege ich denn hellwach, äußerst geräuschvoll und überzogen von einem wächsernen Glanz wie eine kandierte Gurke in meinem feuchten Bettchen und musste lächeln, weil mir ein viel treffenderer Name für diese unsere schippernde Herberge einfällt: Hotel Inkontinental. Das Beste wäre wohl gewesen, mal eben bei meinen allzeit hustenden Nachbarn zu klopfen, die man gemeinhin ja nach Zucker oder Salz fragt, die ich aber jetzt einfach nur um eine Windel bitten würde. Schlechter Plan um halb fünf in der Früh. Oder ist das eh ihre übliche Zeit zum Wechseln? Ich weiß es nicht.
    Wie auf einer Wasserrutsche, mit mir als Bob, gleite ich in mein kleines Bad, weil ich mich nach einer reinigenden Dusche zunächst mal trockenlegen will. Während des Duschvorgangs gucke ich durch das Plastik meines Duschvorhangs, und meine

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