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Ein Traum von einem Schiff. Eine Art Roman

Ein Traum von einem Schiff. Eine Art Roman

Titel: Ein Traum von einem Schiff. Eine Art Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Maria Herbst
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gebleachte Zähne.
    Zwei Weißweinschorlen später finden sie alles »unglaublich« oder »spannend« oder sogar »unglaublich spannend«. Außerdem wird vieles gleich »verehrt«, manches sofort »geliebt«, und der Ausdruck größter Sympathie ist die wahllose Vergabe von Mobilnummern und Email-Adressen und die zügellose Abgabe von Beteuerungen, »beste Freundinnen« zu sein, sich »nie mehr aus den Augen verlieren« zu wollen und dass man »immer schon mal miteinander drehen« wollte.
    Dies findet wohlgemerkt nur unter den Spielerfrauen statt und niemals geschlechtsübergreifend. Bei uns männlichen Talenten geht all dies genauso ab, nur ganz anders. Wir stehen auch in einer Ecke, schweigen und gucken – zu den Frauen. Es ist wie damals auf dem Schulhof oder noch damaliger mit der Keule in der Hand am Feuer. Da sich unsere Münder nichts zu sagen haben, lassen wir unsere Augen sprechen, die Blicke in die andere Ecke senden, in der Hoffnung, dass sie Empfänger finden. Zwei Weizenbiere später versuchen wir dann erste Zellteilungen oder zumindest Schnittmengen. Wir geben uns locker, was wir aber gerne mit aufdringlich verwechseln, und derjenige von uns, der sich entblödet, gleich am ersten Abend nach Mobilnummern und Email-Adressen zu fragen, hat nix verstanden oder wird für schwul gehalten.
    Fand mich bislang stets doof an solchen Abenden, was mir aber immer erst tags drauf auffiel. Auch an diesem Kennlernabend nerv ich.
    Wir sitzen alle im Gourmetrestaurant des Schiffes, von der Hand Gottes in Vierer- oder Sechsergrüppchen an die mit Messerbänkchen und Damastservietten drapierten Tischchen gewürfelt, wobei ich den Sechser im Lotto habe, zusammen mit der mir bekannten, auf männliche primäre Geschlechtsmerkmale fixierten Kollegin, dem aschgrauen und eigenwillig frisierten Methusalem des Ensembles und, als Zusatzqual, der Werbeikone der deutschen Spinatindustrie, einer gewissen Sabine Sassmann, einsitzen zu dürfen. Die Letztgenannte habe ich auf meinem nächtlichen Streifzug durch den Airbus also richtig als Botschafterin des eisenhaltigen Gemüses identifiziert und heute Abend wird mir auch klar, warum sie in den Spots nicht sprechen muss – sie kann es nicht. Schon nach ihrer Selbstvorstellung muss ich mir die Brille putzen, denn zu allem Übel verfügt ihr Name gleich über vier der schlimmen Konsonanten, die sie nicht in der Lage ist, ohne Ausfluss zu artikulieren: Sssabine Ssssasssssman.
    Als sie mir dann noch ihren Spitznamen als Rufnamen anbietet, nämlich »Sabsse«, lasse ich meine Brille an diesem Abend ab. Lispeln kann man das schon nicht mehr nennen, was sie da tut. Der Duden hat für diese Art des Anschlags keinen Begriff, und ich halte es eher für einen Fall für das Den Haager Kriegsverbrechertribunal. Besetzt ist sie in dieser
Traumschiff
-Episode aber sinnvoll, da sie keine Germanistikstudentin zu spielen hat, die ständig aus den
Buddenbrooks
vorliest oder die Gedichte Rilkes zitiert, sondern eine Gehörlose, deren einziger zusammenhängender Satz lautet: »Ooohaaooaaaaba!« das sollte sie hinkriegen, wenn sie ihn nicht noch umschreibt und sich ein »s« reinschmuggelt.
    Vor uns hat man selbstgebastelt aussehende Namenskärtchen gefaltet. Würde mich nicht wundern, wenn Rademann dafür extra einen Origami-Kurs belegt hätte. Ich schiele zu dem papiernen Häuschen unseres männlichen Mitessers, entnehme ihm den Namen Adolph Zaluskowski und hoffe, dass Sabine ihn duzt. Habe diesen Namen noch nie gehört. Wo Wolfgang den wohl her hat? Vielleicht hatten Rademann und unser Regisseur zusammen eine Leiche im Keller, und genau die sitzt jetzt vor mir?!
     
    »Naaaaaaa! Wie geht’s?«
     
    Ich versuche mich als selbsternannter Eisbrecher, worauf mich die sechs toten Augen von London fixieren und unisono fragen:
     
    »Wem jetzt?«
    »Fangen wir mit dir an, Schlun … äh … Christin … äh … Christiane!«
    »Wie soll’s mir schon gehen? Ich bin fett geworden, mein Gesicht ist aufgedunsen und es gibt kaum ’ne Körperstelle, die ungepierct ist.«
     
    Adolph nimmt sie in den dünnen Arm und zieht sie asthmatisch an sich.
     
    »Ja!«
     
    Das ist das Erste, was ich ihn überhaupt jemals sagen gehört habe und es klang verdächtig nach Opa Hoppenstedt, während er ihr verboten liebevoll einen Kuss ins Haar drückt und ich beobachten kann, wie sie seine Zärtlichkeit mit einem Streichen über seinen rechten, ausgemergelten Oberschenkel erwidert. »Der Großvater fährt mit seiner

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