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Ein Traum von einem Schiff. Eine Art Roman

Ein Traum von einem Schiff. Eine Art Roman

Titel: Ein Traum von einem Schiff. Eine Art Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Maria Herbst
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verquollenen Augen erblicken die weiße, spiegelnde Mahnung aus Keramik, die trutzig zu meinen nassen Füßen auf dem Boden steht, bereit, alles in sich aufzunehmen, was ich anzubieten habe.
    Ich habe Angst, mein innerer Rumor könne meine Nachbarn inzwischen geweckt haben. Die Geräusche des Duschens scheinen mir ungleich leiser zu sein. Ich frottiere mich vorsichtig ab, und so, als schwinge Thor seinen Hammer, knallt er auf meinen inneren Amboss. Ich wundere mich, dass mein Bauch keine Aspirin verlangt, denn eigentlich müsste er Kopfschmerzen haben, komme ich mir doch vor wie ein fleischgewordener Jahrmarkt, auf dem sich im Norden sowohl die Zuckerwatte als auch die gebrannten Mandeln befinden und weiter südlich die Geisterbahn mit Hau den Lukas konkurriert.
    Das größte Problem ist aber zugleich der eigentliche Grund meiner Reise: In wenigen Stunden soll mein erster Drehtag beginnen. Na toll, da kann ich ja mal so richtig aus mir rausgehen! Mir fehlen nicht nur mindestens vier Stunden Schlaf, sondern der Donnerbalken in meinem Gedärm wird zudem jede anständige Tonaufnahme vereiteln. Auf diese Weise werde ich an meinem ersten Drehtag gleich zwei Kollegen aufs äußerste herausfordern: Meine Maskenbildnerin muss es schaffen, mir den Horst Tappert aus dem Gesicht zu schminken und unser Toningenieur meinen Körper schalldicht isolieren.
    Prost Mahlzeit! Was für ein Einstieg.

9
    Der nächste Abend
    Hurra! Hab ihn überstanden, den ersten Tag. Vor allem aber haben die Kollegen mich überstanden. Hoffe ich zumindest. War nicht grad bester Laune. Wie auch? Mit schwerer Breitseite hatte ich Text abzusondern, den ich im Normalfall nicht mal lesen würde, Text, den ich selbstverständlich auswendig darzubieten hatte.
    Hätte um ein Haar zu dem Mittel gegriffen, mit dem angeblich unser Adolph Zaluskowski arbeitet. Er fragt nämlich seine Spielerkollegen vor jeder Probe bzw. dem ersten Take, ob sie ihre Arme in der Szene brauchen werden, oder er fragt den Kameramann, ob man in der nächsten Bildeinstellung die Stirn oder den Rücken des Spielpartners sehen wird. Werden die Fragen mit »Nein« beantwortet, klebt der muntere Greis behend die angefragten Körperteile mit Post-its voll, auf denen seine Zeilen gekritzelt sind – in Sütterlin selbstredend. Es ist nicht überliefert, was er macht, wenn die antwort »Ja« lautet.
    Im Zweifel wird er das tun, was alle Menschendarsteller machen, die Probleme mit ihrem Text haben, weil sie zu faul waren, ihn zu lernen, oder er so widerborstig oder schlicht so schlecht ist, dass man ihn nicht in die Birne kriegt: er wird beim Sprechen seines Textes immer langsamer, im-mer laaang-saaa-mer, und tut dem Regisseur gegenüber so, als mache er das extra, weil die Rolle, die er spielt, so nachdenklich ist, so zaudernd, so geheimnisvoll. Wie oft habe ich das schon erlebt. Kollegen, zu denen man doch eigentlich aufschaute, ließen einen in den tiefen Abgrund ihrer Selbstgefälligkeit blicken, und versuchten einem dummdreist vorzugaukeln, es sei ihre zu spielende Figur, die hier das Tempo rausnimmt, dabei konnte man in ihren Augen lesen, wie hektisch sie innerlich blätterten, der geschriebene Text aber einfach nicht zu finden war, und konnte an ihren unruhigen Fingern sehen, wie gern sie schnipsen wollten, um damit irgendeine Souffleuse darauf aufmerksam zu machen, rasch mit den richtigen Zeilen auszuhelfen.
    Oft sind das dann die Momente, in denen der Regisseur entweder jeden Satz einzeln abdreht, große Kartons aus Pappe, die man früher »Neger« nannte, mit dem Dialog vollschreiben lässt, in der Hoffnung, dass das radebrechende Antitalent ihn zumindest ablesen kann, oder er das eher berüchtigte als berühmte Versprechen abgibt: »Keine Bange! Das schneid’ ich mir schön!«
    Doch nicht immer ist Faulheit der Grund für diese Form von asozialem Verhalten, das den kompletten Betrieb aufhält, wenn nicht sogar lahmlegt. Oftmals sind die Gründe vielschichtiger, zum Beispiel hochprozentig bzw. -promillig, haben mit schierer Angst zu tun, die im Alter angeblich noch zunimmt, da die Haut immer dünner wird, oder sie hängen, wie hier in unserem Fall, mit dem bereits fortgeschrittenen Alter eines Rentenverweigerers zusammen. Wie gesagt, nur fast musste ich zu einem dieser Mittel greifen. Die, zu denen ich am Morgen tatsächlich griff, hießen Aspirin, Ibuprofen, Kohletabletten und Immodium, so dass ich zum Glück außer meinem Text nichts mehr absondern musste.
    Trotz oder gerade wegen

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