Ein Traum von einem Schiff. Eine Art Roman
traurisch.«
Pause.
»Un … Sie sind Schauspieler?«
»Richtig.«
»Sehen jar nit so aus. – Un beruflisch?«
»Beru …? Äh … ver… versuch’ ich das auch!«
»Mutisch, äscht mutisch. Schapöschen, Schapöschen! – Is beschtimmt schwer, nä?«
»Na ja, gerade nicht so.«
»He-he, verschtehe, mit den janzen Weibern hier, aber wat machen Sie denn sonst?«
»Sonst!«
»Tachsüber?«
»Bitte?«
»Isch mein’, guckense, isch bin Metzger, isch bin morjens im Jroßhandel, dann am Schlachten, und erst dann verkauf isch misch und meine Sachen. Wat machen Sie denn, bevor Sie sisch in den Laden schtellen?«
»Da guck ich, dass ich mich gut abgehangen hab und meine Haut rosa ist.«
»Hehehe, Se jefallen mir! Aber lassen Se uns ruhisch noch ’n Moment über misch … wissen Se, isch hab ja mein Leben lang jespillt: früher Quartett, dann Skat und seit einijer Zeit bei uns in Oberdürenbach-Büschhöfe auf der Bühne vom Schützenplatz. Herrlisch.«
»Wow. Oberdü … –«
»… aber misch ziehtet vor die Kamera!«
»Ist das so?«
»Jaaaaa, immer schon! Wenn isch Ihnen die Filme zeije von meinem Schwager, wo isch da bei der Hochzeit, da han isch denen wat vorjespillt, aus’m Häuschen waren die, muss isch aber auch selber sagen, dat war jroßartisch, wat isch da, da han isch Blut jeleckt, und dat sach isch jetzt nit als Metzger … hehe …«
»Oha, ich glaub, ich muss mal wieder …«
»… Sarens, Herr Herz, können Se misch da nit unterbringen?«
»Wo jetzt?«
»Na, beim Film! Isch bin dat so satt, dat ewije hinterm Tresen, isch muss raus da, isch jeh kapott in diesen jekachelten Hallen mit all den Toten, Sie können sisch nit vorstellen, wat isch …«
»Verzeihung, ich muss jetzt wirklich los …«
»Wissen Se, die Suse, die Hanna und die Else, die waren immer janz bejeistert, wenn isch denen wat vorjesprochen hab.«
»Tatsächlich!?«
»Ja sischer, mit solschen Augen haben die misch anjeguckt, janz jerührt waren die noch, kurz bevor ich die dann mit dem Bolzenschussapparat …«
»… Ääääh … Oh! – wissen Sie, ich würde wirklich wahnsinnig gern noch mit Ihnen …«
»Sie jlauben ja jar nischt, wie wischtisch mir das ist! De Metzgerei … Dat is doch kein Leben mehr. Wievel jute Jahre hab isch denn noch? Drei, vier? Immer nur träumen, dat is doch, dat is doch Scheiße …«
»Tut mir echt leid, aber ich hab keine Zeit mehr.«
»Mein Reden, mein Reden …«
Mit einem Kloß im Hals begebe ich mich danach wieder in meine Spielszene.
Hab noch oft an diese Begegnung gedacht. Der Metzger mit der Lebenszeit. Vielleicht ist er, an diesem Winterurlaubstag im Januar auf höchster See, seinem Traum so nah gewesen wie niemals sonst. Was sind eigentlich, frage ich mich, die sogenannten guten Jahre, und wie viele sind für mich noch vorgesehen. An welcher Reling werde ich mal stehen und der Metzger sein.
Bisher hab ich, dickköpfig und dankbar, meinen Lebenstraum leben dürfen. Unterwegs viel Dreck gefressen, ja, aber – ich durfte verdammt nochmal spielen. Ähnlich dem Eifeler Fleischermeister hab ich immer schon gespielt und wollte nichts anderes, und zum Glück waren die Zeit und die Umstände auf meiner Seite; niemand hat mir eine Metzgerei vererbt, niemand hat gesagt, dein Weg führt hier entlang, sonst nirgends, niemand hat bestimmt, dein Schicksal erfüllt sich in Oberdürenbach-Büschhöfe. Ganz und gar frei in meinen Entscheidungen, durfte ich leben, wofür immer schon mein Herz geschlagen hatte.
Das
ist
ein Leben, und das Leben ist ein Glück.
11
Dienstag, 12. Januar, 16.12 Uhr
Die erste Woche auf der MS Deutschland ist um, und böse Zungen behaupten, das » MS « steht für »Mumienschlepper«.
In diesem Moment, zu Hause läuft grad die abendliche
Tagesschau
und hier an Bord ist Teatime, sitze ich im Bug des Schiffes in einem sehr stilvoll eingerichteten Raum mit vielen Fenstern, Bildern und Rattanmöbeln, esse ein Stück guter Joghurttorte, schlürfe einen leckeren Sojamilchkaffee und kann auf den ecuadorianischen Kanal schauen, den wir in diesem Moment verlassen, um auf pazifischem Gewässer übermorgen Peru zu erreichen.
Das Ganze hat was von schwimmender
Schwarzwaldklinik
: so zittrig die Stimmchen, so gebeugt die Körper, so löcherig das Deckhaar der Insassen.
Jeder hat das Publikum, das er verdient, und dieses ist das des Traumschiffs. Immerhin fast zehn Millionen davon bei der letzten Ausstrahlung im Dezember.
Zum
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