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Ein Traum von einem Schiff. Eine Art Roman

Ein Traum von einem Schiff. Eine Art Roman

Titel: Ein Traum von einem Schiff. Eine Art Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Maria Herbst
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vielen der hiesigen Kreuzfahrer kann ich mich indes des Eindrucks nicht erwehren, dass für sie die Schiffsfahrt an sich Sinn und Zweck der Veranstaltung ist und sie das Anlegen als unvermeidbares Übel in Kauf nehmen – zu heimelig ist’s an Bord, zu lecker das Essen, zu nah das Klo. Der einstmals mobile Wohnwagen auf dem holländischen Campingplatz wurde ja auch längst zur Im-mobilie umfunktioniert.
     
    Ein bisschen fühlt man sich bei den Landgängen wie die Conquestadores vor fünfhundert Jahren, nur dass sich Mensch, Maschine, Waffe und Absicht verändert haben.
    War es damals die auf Expansion ausgerichtete spanische Krone, die den Befehl erteilte, aufzubrechen, um zu entdecken, ist es heute eine Handvoll deutscher Rentner, die die Krone allenfalls im Mund haben und sich anschicken, von einem 110 000 000-Euro-Pott, der sich ja zum Glück nie wie Schiff anfühlt, sondern wie Café Kranzler mit einem Schuss Charité, mit Kuchengabel in der Hand und dem Sagrotantüchlein in Griffweite in den Shuttlebus zu steigen, der einen so gut gekühlt durchschüttelt, dass man besser in seinem fahrbaren Elfenbeinturm bleibt, als sich mit all dem Elend, auf das man hinabblickt, gemein zu machen. Und drei Stunden Landgang im Sitzen reichen bei weitem – nicht, dass die Besatzung die Schwarzwälder Kirsch aufisst.
    Klischees sind dazu da, erfüllt zu werden: Die Schlacht am Büfett findet auch hier statt, auch hier werden die Liegen am Pool mit Handtüchern reserviert und im ganzen Haus weht der markante Duft von 4711, Tosca und Drei-Wetter-Taft. Bin allerdings selbst auch für den einen oder anderen Klischeespaß zu haben. Warte nun mittlerweile seit über einer Woche auf meinen Koffer, dessen Inhalt die spanische Airline Iberia vielleicht inzwischen auf eBay feilbietet.
    Iberia!
    Hätte nicht übel Lust, kostenlos für die Jungs einen Werbespot zu drehen: »Wir fliegen alles – außer Koffer!«
    Aber dafür lieben wir sie ja, die Südeuropäer: Die sind so entspannt. Auch mit den Dingen anderer.
    So wie die Griechen Schulden anhäufen, um sich dann retten zu lassen, häufen die Spanier Koffer an, vor denen sie sich dann kaum noch retten können.
    Trage Geborgtes oder notdürftig in Panama Gekauftes, und das gute weiße T-Shirt und die gute alte, weiße Unterhose mit Eingriff geben sich ein fröhlich-unpassendes Stelldichein. Schade, dass Ottfried Fischer nicht zum Ensemble gehört, aus einem von ihm geliehenen Kleidungsstück hätte ich mir gleich mehrere basteln können.
    Wie wenig ich doch hier hinpasse und wie viel Spaß es macht, gerade deswegen hier zu sein.
    Bald sind wir in Lima und der heimliche Höhepunkt steht an: ein Besuch der sagenumwobenen Inkastadt Machu Picchu. Ausgerechnet an den zwei Tagen drehe ich. Auf dem Schiff. Nun, man kann nicht alles haben.
    Aber ein Stückchen Joghurttorte dürfte es noch sein.
    Mist, Büfett ist bereits abgeräumt. Klar, in einer Stunde gibt es ja schon Abendbrot.
     
    Noch was schönes Festlandbekanntes hat man hier auf
der
Deutschland, die sich immer mehr wie
das
Deutschland anfühlt: die Dienstleistung.
    Man muss gar nicht genau hingucken, um zu sehen, wie sich Kellnerinnen und Kellner über ihre Gäste mokieren, sich Gesichter zuwerfen oder in Ironie flüchten.
    Klar, sie dachten, sie hätten ihren Zivildienst hinter sich.
    Ich klage nicht auf hohem Niveau, sondern auf höchstem, und ich klage nicht, sondern amüsiere mich, und das kann ich nicht von jedem hier behaupten.
    Übermorgen stößt Harald Schmidt dazu. Alles ist steigerungsfähig.

12
    Prime Time
    Wow, Pelikane! Hab heute welche gesehen!
    Boah, sind die doof.
    Scheint purer Zufall zu sein, wenn die sich in die Luft erheben. Noch wahrscheinlicher ist taumelnder Absturz oder klatschen gegen die Schiffswand. Allein schon der Start scheint schierer Willkür unterworfen. Flügelschlagend wird zappelnd gelaufen, hektisch rumgeguckt, dabei mit einem narzisstischen Ausdruck im gefiederten und langschnabeligen Gesichtchen, als wollten sie unentwegt Applaus für ihre einzigartige Darbietung bekommen. Das ständige Aufditschen der schwimmgehäuteten Füße auf dem Wasser beim Anlaufnehmen klingt bereits wie eine dauerhafte Ovation, die der Spaßvogel sich also quasi selber spendet. Eitel.
    Einen sah ich, der sich komplett verzettelt haben muss. Entweder hatte er zu viel gefuttert oder schlicht eine Meise. Er muss wohl das Verhältnis von Länge des Schnabels zu Gewicht des Körpers falsch berechnet haben, so dass ihm

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