Ein Traummann auf Mallorca
Natürlich verstand sie, dass er nicht einfach alles stehen und liegen lassen konnte, um mit dem Kind zusammen zu sein. Doch Charlene war fest davon überzeugt, dass sie gemeinsam einen Kompromiss finden würden, mit dem alle Beteiligten zufrieden sein konnten.
Nachdem sie sich die Kattas und die Kängurus angesehen hatten, steuerten sie das Picknickareal an, neben dem der Spielplatz lag. Als Charlene die sehnsüchtigen Blicke bemerkte, die Aurora in Richtung der anderen Kinder warf, nickte sie dem Mädchen aufmunternd zu. „Na los, lauf schon!“
Glücklich strahlend eilte Aurora davon. Charlene schaute ihr lächelnd nach.
„Wollen Sie uns nicht schon mal die Bank dort hinten reservieren und das Essen auspacken?“ Javier reichte ihr den Korb. „Ich besorge uns währenddessen einen Kaffee am Kiosk.“ Er lachte. „Jolanda hat wirklich an alles gedacht. Es gibt Sobrassada, Cocarrois und Ziegenkäse. Nur die große Thermoskanne mit Fencheltee habe ich leider im Wagen liegen lassen.“
„Fencheltee?“ Fragend hob Charlene die Brauen.
Er grinste schief. „Nun, Jolanda findet, dass ich zu viel Kaffee trinke. Sie macht sich Sorgen um meine Gesundheit, daher bekomme ich von ihr neuerdings immer Fencheltee.“ Die Art und Weise, wie er bei dem Wort das Gesicht verzog, machte deutlich, dass Fencheltee nicht gerade zu seinen Lieblingsgetränken gehörte.
Ein paar Minuten später saßen sie, jeder einen dampfenden Pappbecher mit Kaffee in der Hand, in stiller Eintracht auf der Bank und schauten Aurora beim Spielen zu. Doch so recht auf ihren Schützling konzentrieren konnte Charlene sich nicht. Überdeutlich war sie sich der Nähe von Javier bewusst. Und sosehr sie sich auch dagegen sträubte – seine männliche Ausstrahlung verfehlte ihre Wirkung auf sie keineswegs.
Um sich abzulenken, nahm sie sich eine von den halbmondförmigen Teigtaschen, die mit Spinat, Pinienkernen und Rosinen gefüllt waren und Cocarrois genannt wurden, und biss herzhaft hinein, doch auch das half nicht. Die Luft zwischen ihr und Javier schien zu vibrieren – zumindest kam es ihr so vor. Er hingegen wirkte vollkommen gelassen. Und das solltest du besser auch sein, Charlene Beckett! Oder hast du etwa bereits vergessen, wer dieser Mann ist?
Nein, natürlich nicht. Wie sollte sie auch? Bei ihren regelmäßigen Besuchen im Krankenhaus wurde ihr Vater nicht müde zu erzählen, wem er die Schwierigkeiten verdankte, in denen er steckte. An allem, was ihm in der jüngeren Vergangenheit zugestoßen war, gab er Javier Santiago die Schuld. Manchmal ging er damit so weit, dass Charlene sich fragte, ob er es sich nicht womöglich ein wenig zu einfach machte. Der Javier, den sie kennengelernt hatte, schien nämlich nicht gerade der menschenverachtende, skrupel- und rücksichtslose Mensch zu sein, als den Graham ihn beschrieb.
Sicher, perfekt war er ganz bestimmt nicht. Der Umgang mit seiner Tochter ließ zu wünschen übrig, und aus dem Verhältnis zwischen ihm und seiner Assistentin wurde Charlene nicht schlau. Aber deshalb war er noch lange kein Unmensch.
„Sie haben übrigens recht“, sagte er unvermittelt und unterbrach damit ihre merkwürdigen Gedankengänge. „Es wird tatsächlich Zeit, dass ich mich wieder mehr mit meiner Tochter beschäftige. Ich fürchte, ich war nach dem Tod meiner Frau mit der Doppelbelastung Arbeit und Familie ein wenig überfordert. Aurora ist in den vergangenen Monaten wirklich zu kurz gekommen.“
Charlene lächelte sanft. „Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung“, sagte sie. „Aber ich stimme Ihnen zu, dass es nicht so leicht ist, all diese Verpflichtungen unter einen Hut zu bekommen. Darf ich fragen, wer Ihren Terminkalender für Sie führt?“
„Das ist Dolores’ Aufgabe“, erwiderte er bereitwillig. „Sie plant meine geschäftlichen Termine ebenso wie die, die auf privater Ebene organisiert werden müssen.“
Etwas in der Art hatte Charlene sich bereits gedacht. Und genau dort vermutete sie auch den Kern des Problems. Aber wie sollte sie es ansprechen? „Wissen Sie, was ich nicht verstehe?“, sagte sie nach kurzem Nachdenken. „Ich weiß, es geht mich im Grunde nichts an, aber … Nun, mir ist aufgefallen, dass Señorita Dolores sich Ihnen gegenüber viele Freiheiten herausnimmt, die für eine Assistentin alles andere als üblich sind.“
Einen Moment lang herrschte Schweigen, und Charlene begann schon zu fürchten, dass sie die Sache falsch angefangen hatte. Doch dann räusperte Javier
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