Ein Traummann auf Mallorca
machen, Señor . Für das Glück Ihrer Tochter ist das doch wohl kaum zu viel verlangt, oder?“
Aurora sprang auf – ihre Augen strahlten hoffnungsvoll. „Oh ja, Papá , bitte!“
Die Miene ihres Vaters blieb einen Augenblick lang unergründlich, und Charlene begann zu fürchten, dass sie es zu weit getrieben hatte.
Doch dann huschte ein feines Lächeln über seine Züge. „Also schön“, sagte er. „Aber nur unter der Bedingung, dass Sie endlich aufhören, mich Señor Santiago zu nennen, verstanden? Mein Name ist Javier.“
„Wo fahren wir denn hin, Papá ?“, fragte Aurora nun schon zum fünften Mal, seit sie vor etwas mehr als einer halben Stunde aufgebrochen waren. Javier saß am Steuer seines Wagens, Charlene zusammen mit seiner Tochter auf dem Rücksitz.
„Das soll eine Überraschung werden, mi corazón .“ Javier lächelte nachsichtig. „Ein bisschen Geduld noch – in ein paar Minuten sind wir da.“
Er sah in den Rückspiegel, und sein Blick fiel auf Charlene. Diese Frau irritierte ihn. Aber wie sollte er auch jemanden einschätzen, der sich in einem Moment scheu wie ein Reh und im nächsten wild und kämpferisch wie eine Raubkatze verhielt? So etwas hatte er noch nie erlebt – und er bildete sich ein, über eine recht gute Menschenkenntnis zu verfügen.
Von den Kindermädchen, die nach Catalinas Tod bei ihnen ein und aus gegangen waren, hatte jedenfalls keines seine Meinung so deutlich und undiplomatisch kundgetan wie die junge Engländerin – schon gar nicht am ersten Arbeitstag. Und Javier konnte sich noch immer nicht so recht entscheiden, ob er sie für ihren Mut bewundern oder für ihre Unverschämtheit besser vor die Tür setzen sollte.
Eines allerdings stand fest: Aurora tat die Anwesenheit von Charlene Beckett erstaunlich gut. Er brauchte nur hinzuhören, um das zu erkennen. Die beiden unterhielten sich angeregt, und einmal hörte er seine Tochter sogar entzückt kichern – etwas, das sie seit einiger Zeit kaum noch tat und das er, wenn er ehrlich war, vermisste. Daran, dass Charlene mit Kindern umgehen konnte, bestand also kein Zweifel.
Wie ein typisches Kindermädchen kam sie ihm trotzdem nicht vor.
Ob Dolores vielleicht doch recht hatte mit ihrer Vermutung, dass Charlene von ihrem Vater geschickt worden war, um Geschäftsgeheimnisse der Konkurrenz auszuspionieren?
Er kannte Graham Beckett nicht persönlich, wusste aber, dass der Bootsbauer, dessen Firma ihren Sitz auf der anderen Seite der Insel hatte, nicht sonderlich gut auf ihn zu sprechen war. Über die Gründe konnte er nur mutmaßen. Sicher, Beckett hatte einige Kunden an ihn verloren, weil Javier schlicht und einfach dieselbe Qualität zu günstigeren Konditionen anbot. Doch das allein erklärte noch nicht den unversöhnlichen Hass, mit dem der Engländer ihm begegnete. Immer wieder kam Javier zu Ohren, dass Graham Beckett infame Gerüchte über ihn in Umlauf brachte – wohl vor allem in der Hoffnung, seiner eigenen Firma auf dem mallorquinischen Markt einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen.
Becketts Pech, dass die meisten Kunden Javiers sehr wohl einschätzen konnten, dass es sich nur um die üble Nachrede eines missgünstigen Konkurrenten handelte. Somit waren Becketts Bemühungen bislang nicht von Erfolg gekrönt worden.
Doch wenn Dolores’ Theorie zutraf, hatte der Mann sich neuerdings auf eine andere Strategie verlegt und versuchte Javier aus dem Geschäft zu drängen, indem er Boote zu Dumpingpreisen anbot; Boote, bei deren Fertigung Teile eingesetzt wurden, die jemand aus dem Warenlager von Santiago Barco y Yate de Yard entwendet hatte.
Javier runzelte die Stirn. Irgendwie erschien es ihm nur schwer vorstellbar, dass eine Frau wie Charlene sich für solche Hinterhältigkeiten einspannen ließ – nicht einmal von ihrem Vater. Auf der anderen Seite musste er einräumen, dass es sich um einen unglaublichen Zufall handelte, wenn ausgerechnet die Tochter von Graham Beckett sich ohne jegliche Hintergedanken um eine Stelle als Kindermädchen in seinem Haus beworben haben sollte. War das überhaupt möglich, oder entsprang jeder Versuch, eine plausible Erklärung für ihr Verhalten zu finden, bloß Javiers Wunschdenken? Denn er wollte nicht, dass Aurora schon wieder einen Menschen verlor, zu dem sie Vertrauen gefasst hatte. Schlimm genug, dass es ihm selbst im Moment nicht möglich zu sein schien, Zugang zu ihr zu finden. Aber nach Catalinas Tod …
„Wie weit ist es denn noch?“ Auroras ungeduldige
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