Ein Traummann zum verzweifeln
zu sein. Jetzt sahen sie sich so gut wie gar nicht mehr. Und das, was sie einst an ihm am meisten geschätzt hatte, nämlich seine von Optimismus getragene Bereitschaft, einem Freund in Not die Hand zu reichen, war inzwischen genau der Punkt, der einen Keil zwischen sie getrieben hatte – im Grunde genommen paradox, wenn man sah, wie sie ständig auf dem Sprung war, die Probleme anderer für sie zu lösen.
»Ich verstehe dich nicht«, sagte er frustriert. »Ich habe nie das Dach über deinem Kopf oder das Essen auf deinem Tisch riskiert. Du hattest kein Recht, dich einzumischen -du hättest dich, verdammt noch mal, da raushalten sollen.«
Sie zögerte kurz und schenkte ihm dann ein gequältes Lächeln. »Glaub mir, du weißt gar nicht, wie sehr ich mir wünschte, genau das getan zu haben. Und jetzt entschuldige mich bitte, ich habe noch eine Menge zu erledigen.«
Ohne ein weiteres Wort nahm sie wieder auf ihrem Stuhl Platz und wandte sich ihren Zahlenreihen zu, so als habe er aufgehört zu existieren.
4
Dienstag
A ls Daisy aufwachte, sah sie Nick neben der Couch hocken, sein Gesicht weniger als dreißig Zentimeter von dem ihren entfernt. Mit einem leisen Fluch auf den Lippen rappelte sie sich hoch und tastete unter ihrem Kissen nach der Pistole, während sie gleichzeitig die Wohnung mit den Augen abcheckte. »Was ist? Was ist los? Versucht jemand, hier einzudringen?«
Er ließ sich mit der Antwort Zeit. Sie folgte seinem Blick und sah, dass ihre Decke verrutscht war und den Blick auf das Tanktop und die Panties, in denen sie geschlafen hatte, freigab. Obwohl weder das eine noch das andere besondere Einblicke gewährte, drückte sie sich aufrecht nach hinten gegen das Couchende und zog sich die verirrte Decke bis zum Hals hoch. Ihre Nervenenden signalisierten erhöhte Alarmbereitschaft. »Was willst du, Nick?«
»Sorry, ich wollte dich nicht erschrecken.«
Das Morgenlicht, das durch die Sprossenfenster hereinströmte, ließ die zarten goldblonden und rotbraunen Strähnen in seinem dicken, überlangen Haar, das in seiner verschwenderischen Fülle an ein Tierfell erinnerte, deutlich hervortreten.
Er schnippte mit den Fingern vor ihrem Gesicht. »Erde an Daisy.« Sie blinzelte, und er erklärte: »Ich sagte, dass wir in fünfundvierzig Minuten weg müssen. Wenn du noch duschen willst, dann steh besser auf. Ich weiß doch, wie lange ihr Frauen immer braucht, bis ihr fertig seid.«
Sie rieb sich den Schlaf aus den Augen. Das Klischee war ihr einfach zu blöde, um darauf einzugehen, aber dafür erregte ein anderes Wort ihre Aufmerksamkeit umso mehr. »Weg? Weg wohin?« Sie gähnte herzhaft und schüttelte, über sich selbst unzufrieden, den Kopf. »Sorry, bevor ich nicht meine erste Tasse Kaffee habe, funktioniere ich nicht besonders gut.«
»Ich mach dir einen. Du kannst inzwischen duschen.«
Er steuerte auf die Küche zu.
Sie wickelte sich die Decke um die Schultern, klemmte sie mit einer Hand fest und griff mit der anderen nach der Pistole. Dann tapste sie hinter ihm her. »Moment mal. Was meintest du damit, wir müssten in fünfundvierzig Minuten weg?«
Nick sah auf seine Rolex. »Jetzt in vierzig.«
»Ob fünfundvierzig Minuten oder eine Stunde spielt keine Rolle, Coltrane. Ich würde dir nicht raten, blind irgendwohin zu gehen. Um deine Sicherheit zu gewährleisten, müssen wir schon ein paar Regeln festlegen.«
»Das musst du unterwegs machen, meine Süße. Ich muss Termine einhalten.«
»Zum Beispiel? Ein heißes Date vielleicht?« O nein, Daisy, das war nicht gut. Denk an deine Professionalität.
»Nein, ich habe heute einen Fototermin nach dem anderen.«
Sie atmete einmal langsam tief durch. »Ich rate dir dringend, diese Termine, wenn möglich, abzusagen. Ich bin in meinem Fach sehr gut, Nick, aber ich bin auch nur ein Mensch, und der Risikofaktor verzigfacht sich, wann immer du in der Öffentlichkeit erscheinst.«
»Tu einfach dein Bestes, Daisy. Ich habe diese Foto-Shootings vor Monaten zugesagt, und bis auf ein oder zwei handelt es sich ausnahmslos um Events, die an ein bestimmtes Datum gebunden sind. Ich kann sie nicht verschieben.«
»Schick ihnen einen anderen Fotografen.«
Er gab das frisch gemahlene Kaffeepulver in einen Kaffeefilter, setzte ihn auf eine Glaskanne und hielt das Ganze unter einen Instamatic-Heißwasserhahn. Während der heiße Dampf aufstieg, warf er ihr einen kurzen Blick zu. »Sie wollen den Besten.«
Sie schnaubte verächtlich. »Ach, und Annie Leibovitz war
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