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Ein Tropfen Blut

Ein Tropfen Blut

Titel: Ein Tropfen Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theo Pointner
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über den Weg und auch in die angrenzenden Büsche, um das verloren gegangene Stofftier zu finden.
    Helsing verfluchte sich für seine Nachgiebigkeit. Als sie aus dem Haus gegangen waren, hatte er auf eine Jacke verzichtet, er trug nur das dünne Baumwollhemd, in dem er auf der Terrasse gelegen hatte. Das Hemd war ein wenig durchgeschwitzt und hier, zwischen den Bäumen, ging ein empfindlich kühler Wind. Er fror wie ein Schneider.
    »Komm, Moritz, das wird nichts mehr«, erklärte er nach zehn Minuten vergeblicher Suche.
    »Nein«, kreischte der Kleine sofort. »Bobo finden.«
    »Sieh das doch ein. Wir können doch kaum etwas erkennen. Lass uns morgen Nachmittag noch einmal hierher fahren. Im Tageslicht finden wir deinen Bären bestimmt im Handumdrehen.« Oder vielleicht hast du das Biest bis dahin auch vergessen, setzte er in Gedanken hinzu.
    Moritz spielte augenblicklich Sirene, aus seinen Augen quollen frische Tränenströme. »Nein, Papa, wir müssen weiter suchen. Bobo stirbt sonst.«
    Helsing lachte trocken auf. »Bitte? Moritz, hör mir mal zu. Bobo kann nicht sterben. Er ist doch nur ein Stofftier.«
    »Bobo ist mein Bär«, schrie Moritz auf. »Er ist kein Stofftier.«
    Die Hand um den Taschenlampengriff verkrampfte sich einen Augenblick. Das hatte Helsing noch gefehlt: mitten in der Nacht eine Grundsatzdiskussion über den Wert des Lebens eines mit einem Stoff stück überzogenen Holzwollebären führen zu müssen.
    »Moritz, nimm doch Vernunft an«, begann Helsing erneut. »Heute Abend finden wir Bobo bestimmt nicht mehr. Bis morgen hält er locker durch. Sobald ich Feierabend habe, fahren wir wieder hier her und suchen. Ich verspreche es dir.«
    »Nein«, gähnte Moritz.
    Endlich wurde der Bengel müde. Helsing ging in die Hocke und strich seinem Sohn über den Scheitel. »Okay. Wir suchen noch eine Viertelstunde, dann fahren wir nach Hause. Du musst ins Bett. Einverstanden?«
    Moritz hielt krampfhaft seine Augen auf. Schließlich nickte er.
    Helsing atmete auf, nahm seinen Sohn bei der Hand und sie gingen weiter. Um den frisch geschlossenen Friedensvertrag nicht zu gefährden, leuchtete er tatsächlich wieder die Wege und das Gestrüpp ab, aber natürlich war nichts zu erkennen. In der Hoffnung, dass sein Sohn nicht gerade heute gelernt hatte, eine Uhr zu lesen, blieb er nach wenigen Minuten stehen.
    »So, Abmarsch. Die Viertelstunde ist nun.«
    »Aber Papa…«
    »Keine Widerrede. Du müsstest schon längst schlafen.«
    Helsing machte kehrt, dabei fiel der Strahl der Taschenlampe auf einen schmutzigen gelben Stofffetzen, der unter einem Strauch lag.
    »Da ist er«, jubelte Moritz, riss sich von der Hand seines Vaters los und stürmte in das Unterholz. Helsing griff nach dem Ärmel seines Sohnes, aber er war zu langsam. Wie der Blitz rutschte der Kleine auf seinen Knien über den lehmigen Boden. Dann hatte er Bobo erreicht.
    Helsing grinste aufatmend und strich sich die Haare aus der Stirn. Das Vieh würde genauso wie Moritz’ Jeans in die Waschmaschine wandern, aber wenigstens hatte sich die Nachtwanderung gelohnt.
    »Jetzt komm, Moritz«, drängelte er, weil sein Sohn sich in dem Gebüsch anscheinend häuslich einrichten wollte. »Mama wartet auf uns.«
    Der Kleine rührte sich nicht vom Fleck.
    »Komm schon«, wiederholte Helsing. »Du hast deinen Bären gefunden.«
    Moritz rührte sich immer noch nicht, der Vater stieß einen kurzen Fluch aus und drückte die oberen Zweige des Gebüsches zur Seite. Der Knirps stand in den Dornen, Bobo an sich gepresst, und starrte auf den Boden.
    Und dann sah auch Helsing im Licht der Taschenlampe die beiden Füße, die keine zehn Zentimeter von seinem Sohn entfernt unter dem Gebüsch hervorlugten.

13
     
     
     
    »He, wo wollen Sie denn hin?«
    Annika Schäfer blieb abrupt stehen und sah sich um.
    Die Krankenschwester war unvermutet aus einem der Nebenräume aufgetaucht und schleuderte unter ihrer Plastikhaube hinweg bitterböse Blicke auf den Eindringling.
    »Kripo Bochum«, erklärte die nächtliche Besucherin. »Mein Name ist Schäfer.«
    Die Krankenschwester gab sich mit der Erklärung nicht sofort zufrieden. »Harn Sie auch ‘nen Ausweis?«
    »Klar. Sogar mit Lichtbild.«
    So unfreundlich die Begrüßung auch war, so oberflächlich verlief die Prüfung des eingeschweißten Adlers. Die Pflegerin grunzte. »Sie kommen bestimmt wegen der jungen Frau?«
    Die Kriminalkommissarin vom KK 12 nickte stumm.
    »Schreckliche Sache«, meinte die Krankenschwester. »Die

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