Ein Tropfen Blut
Tote hieß Sabine Lacour, geboren am zwölften Dezember dreiundsiebzig. Verheiratet, lebte aber von ihrem Mann getrennt. Arbeitete bei der Commerzbank hier in Bochum. Nach Angaben ihrer Arbeitskollegen eine stets fröhliche, gut gelaunte Person. Äußerst pflicht-bewusst und engagiert, machte kaum mal einen Tag pünktlich Feierabend.«
»Hatte glatt bei uns anfangen können«, seufzte Hofmann.
»Vorgestern Nachmittag verließ sie die Bank gegen siebzehn Uhr dreißig«, fuhr Schäfer fort. »Gegenüber einer Kollegin hat sie gesagt, sie wolle noch ins Fitnessstudio und anschließend früh zu Bett gehen. Im Studio hat sie gut anderthalb Stunden trainiert; nachdem sie an der Bar einen Espresso getrunken hat, verliert sich allerdings ihre Spur.«
»Was sagt der Ehemann?«, fragte Gassel.
»Keine Ahnung, wir haben ihn noch nicht angetroffen. Katharina und Berthold wollten es nach der Besprechung noch einmal bei ihm zu Hause versuchen.«
»Okay«, nickte Wielert. »Gibt es eine Verbindung zu den beiden anderen Opfern?«
»Nein«, schüttelte Katharina den Kopf. »Wir haben Frau Forell ein Bild der Toten gezeigt. Sie sagt, sie habe sie noch nie gesehen, und es gibt keinen Grund, an den Worten zu zweifeln.«
»Wäre ja auch zu einfach gewesen«, stöhnte Heinzel zur Überraschung aller. Seit sein berufliches Schicksal an einem seidenen Faden hing, hielt er sich mit Wortmeldungen zurück. Dafür erschien er nun stets pünktlich und frisch geduscht im Präsidium.
»Ich hatte auch nicht erwartet, zwischen den Opfern eine Beziehung zu finden«, nickte Wielert. »Die einzigen Gemeinsamkeiten bestehen wohl in der Körpergröße und der zierlichen Figur.«
»Irgendetwas an dem Opfer schmeckt mir nicht«, mischte sich Brettschneider ein.
»Warum das?«, fragte Katharina.
»Nun, Sie wissen alle, wie die typischen Anzeichen einer Vergewaltigung aussehen. Ich habe im Beckenbereich der Toten etliche Prellungen, Blutergüsse, Hautabschürfungen und so weiter gefunden.«
»Samenspuren?«, hoffte Katharina.
»Nichts«, erklärte Brettschneider. »Aber ich habe wesentlich weniger Indizien für Abwehrhandlungen gefunden, als man erwarten durfte, am ehesten auffällig waren die Druckspuren an den Handgelenken, als sei sie mit bloßen Händen festgehalten worden. Aus meiner Sicht ergeben sich dadurch zwei Alternativen. Erstens: Die Frau ist vor Angst so steif geworden, dass der Täter zur Erreichung seines Ziels nur wenig Gewalt einsetzen musste. Zweitens: Der Täter hat sie vor der Vergewaltigung paralysiert, dass sie nicht mehr in der Lage war, sich zu wehren. Allerdings habe ich keine Rückstände von Betäubungsmitteln oder Hinweise auf Hämatome im Kopfbereich gefunden. K. o. geschlagen hat der Kerl das Opfer vor der Vergewaltigung mit Sicherheit nicht.«
»Ist ja höchst interessant«, nickte Gassel. »Und welche Rückschlüsse ziehen Sie daraus?«
»Vielleicht hat die Frau ihren Mörder gekannt«, erwiderte Brettschneider. »Oder er hat sie vor lauter Wut über mangelnde Gegenwehr erwürgt.«
Wielert verzog den Mund zu einer Schnute. »Lassen wir die näheren Umstände der Vergewaltigung einen Moment außen vor. Wenigstens hat uns der Täter eine Spur am Fundort hinterlassen. Nach dem Bericht des Erkennungsdienstes gehört das Blut auf der Kleidung der Toten eindeutig nicht zur Leiche. Jetzt das Schöne: Die Blutgruppe ist A negativ. Soweit ich weiß, kommt die sehr selten vor.«
»Wenigstens etwas, womit wir den Computer füttern können«, murmelte Heinzel. »Wie sieht es mit einer DNA-Analyse aus?«
»Ist schon in Arbeit«, erklärte Brettschneider. »Spätestens morgen haben Sie das Ergebnis, vielleicht schon heute Abend. Je nachdem wann Sie Feierabend machen.«
»Das passt doch alles nicht zusammen«, regte sich Schäfer auf. »Gehen wir von der Hypothese aus, wir haben es in allen drei Fällen mit ein und demselben Täter zu tun. Schon bei der ersten Tat hat er keine Skrupel, bei der zweiten Vergewaltigung schlägt er sein Opfer fast zum Krüppel – und beim dritten Mal mordet er sogar, indem er die Frau erwürgt und in einem Müllcontainer verstaut.«
»Vielleicht fühlt sich der Kerl zu sicher«, sagte Hofmann. »Überlegt mal, wie sorgfältig der das zweite Opfer abgeladen hat. War doch ein absoluter Zufall, dass die Frau so schnell gefunden wurde. Und bei seinem ersten Mord parkt er die Leiche direkt an einer Hauptstraße, wo sie innerhalb kürzester Zeit gefunden werden muss. Also, wenn ich so ein Ding
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