Ein Tropfen Blut
Nachbarschaft, die das beobachtet haben. Es muss genau so sein wie immer.«
»Das wird aber verdammt knapp«, meinte Locke mit besorgter Miene. »Was ist, wenn der Heini von der Brauerei früher kommt?«
»Absolut unwahrscheinlich. Sieh zu, um spätestens Viertel nach zehn die Kurve gekratzt zu haben. Dann kann gar nichts schief gehen.«
»Also gut. Ich bin um zehn da. Und dann?«
»Mausi lässt dich rein und sagt dir, wo Achmed ist. Ich geh zwar davon aus, dass er wie jeden Morgen in seinem Büro hockt und die Kohle vom Vortag zählt, aber vielleicht kommt er ja auch auf die Idee, im Lager den Champagnervorrat zu überprüfen.«
»Mausi bleibt dabei?«, fragte Locke unbehaglich und leerte sein Glas mit einem weiteren großen Schluck.
»Quatsch. Bevor du dich um Achmed kümmerst, sperrst du sie auf der Toilette ein. Und lass bloß den Schlüssel von außen stecken.«
»Wo bist du eigentlich übermorgen früh?«
Balu lehnte sich zufrieden zurück und zeigte eine Reihe makellos gepflegter Zähne. »Ich hab das beste Alibi, das du dir denken kannst. Ich gehe an dem Morgen meinen Pflichten als Staatsbürger nach. Zeugenaussage bei Gericht.«
»In ‘ner anderen Mordsache?«
»Verkehrsunfall. Da hat doch so ein rücksichtsloser Fahrradfahrer den Kühlergrill eines BMW ruiniert.«
»Klasse. Und wenn dich die Bullen fragen, Herr Baltrusch, wo waren Sie zur Tatzeit, ziehst du die Einladung des Amtsgerichts aus der Tasche.«
»Exakt.«
»Und was erzählt Mausi den Bullen, wenn sie gefunden wird?«
»Na, was wohl? Ein maskierter Mann hat sie überrumpelt, als sie die Hoftür aufgeschlossen hat. Gleich darauf hat er sie auf dem Lokus eingesperrt und sie in einer fremden Sprache angefaucht. Bei den ganzen Figuren, mit denen Achmed zu tun hat, sind alle Nationen vertreten, das werden die Bullen schon herausfinden. Eine Minute später fällt ein Schuss. Darauf wird Mausi schnelle Schritte gehört haben, die sich eilig entfernten. Sie hat sich still verhalten, bis der Getränkelieferant angerauscht kam. Und der hat sie dann befreit.«
»Hört sich perfekt an. Bis auf eine winzige Kleinigkeit. Ich hab keine Knarre.«
»Noch nicht, Kleiner, noch nicht. Zum Nachtisch hab ich etwas anderes als Pudding für dich.«
Locke atmete tief durch und angelte sich die nächste Zigarette.
»Alles klar?«, fragte Balu scharf.
»Ja«, fauchte Locke. »Wo hast du die Knarre her?«
»Geht dich einen Scheißdreck an«, grinste Balu. »Bist du sicher, dass du dich übermorgen aus deinem muffigen Büro entfernen kannst?«
»Jetzt mach dir nicht ins Hemd. Entweder mach ich auf krank oder ich erfinde einen Kundentermin.«
»Gut«, entschied Balu. »Wenn du alles erledigt hast, such dir ‘ne abgelegene Stelle, an der du die Knarre entsorgst. Du darfst nur nicht in Panik geraten, dann kann eigentlich nichts schief gehen.«
»Ich werde mir Mühe geben«, antwortete Locke schwach. »Wann bekomme ich die Schuldscheine?«
»Meinetwegen können wir uns am nächsten Tag kurz treffen, dann kannst du die Dinger haben.«
»Kommt nicht in die Tüte«, begehrte Locke auf. »Mausi soll sie mir geben, wenn sie mich reinlässt.«
»Du spinnst wohl?«, lächelte Balu eisig. »Und dann machst du auf dem Absatz kehrt, ohne deinen Job erledigt zu haben. Nee, Kleiner, Mausi holt die Scheine aus Achmeds Tresor und versteckt sie an einem sicheren Ort. Ich gebe zu, es wäre blöd für dich, wenn die Bullen die bei der Durchsuchung des Büros finden würden. Aber das Leckerchen gibt es erst, wenn alles erledigt ist.«
»Und wer garantiert mir, dass ihr mich nicht bescheißt?«
»Niemand. Die Schuldscheine sind unsere einzige Garantie, dass du nicht kneifst. Und gleichzeitig ist es deine einzige Chance, aus dem Schlamassel herauszukommen.«
Locke nahm drei heftige Züge, sodass die Spitze seiner Zigarette hell aufglühte. »Das gefällt mir nicht«, maulte er. »Ich trage das ganze Risiko und präsentiere mich wie auf ‘nem goldenen Tablett. Wenn etwas schief geht, bin ich im Arsch und ihr wisst von nichts.«
»Ich hab nie gesagt, die Sache wäre ohne Risiko. Aber was hätten wir davon, dich in die Pfanne zu hauen? Außerdem könntest du den Bullen einige interessante Dinge erzählen. Gut, die könnten Mausi und mir nichts an die Karre flicken. Aber denk doch mal genau nach.
Wenn du Achmed killst, haben wir alle drei einen Vorteil davon. Wenn du nicht richtig triffst und er überlebt, wanderst du zwar in den Knast, bist aber deine Schulden los.
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