Ein Tropfen Blut
der Blutfleck auf der Kleidung der Toten kommt, wo die Frau selbst keine sichtbaren offenen Wunden hat.«
Elektrisiert trat Wielert einen Schritt vor. »Wo?«
Brettschneider fasste die Leiche vorsichtig an ihrem Oberarm und drehte sie ein Stück zu sich. »Hier, ganz deutlich. Auf dem Rücken.«
»Donnerwetter«, pfiff Gassel durch die Zähne. »Wär ja nicht auszudenken, wenn das vom Täter stammen würde.«
20
Locke stieß die Pendeltür zu dem Lokal auf und blieb verdutzt stehen. Er hatte geglaubt, einen verqualmten Schuppen zu betreten, in dem sich zwielichtige Gestalten in die Ecken drückten. Stattdessen nickten ihm von der blitzsauber gewienerten Theke ein Zapfer und eine Kellnerin freundlich zu, an einigen Tischen lümmelten sich Sozialpädagogen oder ewige Studenten und nippten an ihren Bieren. Einen Augenblick vermutete Locke, sich in der Adresse geirrt zu haben, aber Balu hatte ihm eine exakte Wegbeschreibung gegeben. Er konnte sich nicht vertan haben.
Vor der Theke führte ein schmaler Gang zu einem angrenzenden Saal, der sich L-förmig in die Architektur presste. Auch hier standen etliche Tische, allerdings war kaum einer besetzt.
Locke schlenderte durch den Raum und entdeckte Balu an einem Ecktisch im hinteren Bereich der Kneipe. Direkt über dem Bär hing ein Fernsehapparat, auf dem einer der überflüssigen Musiksender nervte. Erst als er genau hinsah, bemerkte Locke, dass die Hintergrundmusik vom Band kam. VIVA 2 kam nur per Bild ins Haus.
Das Leroy’s war Bochums neueste Szenekneipe, ein solcher Geheimtipp, dass ihn noch nicht einmal die Szene kannte. Weit ab vom Schuss des Bermuda-Dreiecks fristete der Laden an der Hattinger Straße ein eher tristes Dasein.
Balu hockte auf einer gepolsterten Holzbank und saugte an einer Kippe. Seine Augen lösten sich keinen Augenblick von der bunten Wandbemalung an der ihm gegenüberliegenden Seite, die einen Truck in irgendeiner gottverlassenen Wüste zeigte.
»Bist du hier Stammgast?«, fragte Locke, als er sich zu dem Hünen setzte.
»Ach was. Aber schön leer hier. Für das, was wir zu besprechen haben, genau der richtige Ort.«
»Wie bist du nur auf den Schuppen gekommen?«
»Das ist kein Schuppen, sondern ein australisches Restaurant. Wirf mal einen Blick auf die Speisekarte. Känguru-Burger. Werde gleich einen probieren. Hast du auch Hunger? Bist eingeladen.«
»Na, das lass ich mir nicht zweimal sagen«, nickte Locke und sichtete die Speisekarte. Einige der angebotenen Mahlzeiten hätte er auch in einer besseren Pommesbude bekommen können, aber dann fiel sein Blick auf den gemischten Salat mit Emufleisch.
Als die Bedienung die Bestellung aufgenommen hatte, warf Locke seine Lederjacke auf den freien Stuhl neben sich und sah Balu herausfordernd an. »Hast du es dir noch einmal überlegt?«
»Ich?«, grinste Balu fragend. »Keine Spur. Hätte eher meine Frage sein müssen. Bist du dabei?«
Locke klaute sich eine von Balus Zigaretten und sah sich noch einmal um. Der einzige Tisch, der außer dem ihren in diesem Anbau besetzt war, lag an der Straßenfront, direkt vor dem Fenster. Mindestens fünfzehn Meter entfernt. Vor neugierigen Ohren waren sie sicher.
»Sofern das Ganze nicht eine gut inszenierte Verarsche ist, mach ich mit. Aber nur, wenn ich wirklich alle Schuldscheine von dir bekomme.«
»Mach dir keine Sorgen, es bleibt dabei. Du bist mit einem Schlag deine Miesen los. Und wenn du willst, das Angebot, bei Mausi und mir einzusteigen, steht ebenfalls.«
»Immer hübsch der Reihe nach. Wann soll es losgehen?«
Balu quetschte seinen Glimmstängel in den Aschenbecher und lächelte Locke so harmlos an, als würde er ihm von der Aufstiegsfeier des VfL erzählen. Gleich darauf erschien die Kellnerin und brachte ihre Getränke. Locke nahm das Ginger Ale und trank einen herzhaften Schluck, während sein Gegenüber sein Mineralwasser achtlos beiseite schob.
»Übermorgen früh«, erklärte Balu, als sie allein waren. »Punkt zehn, um genau zu sein.«
»Keine fünf Minuten später?«, grinste Locke schwach.
»Das Timing ist von entscheidender Bedeutung. Alles muss wie am Schnürchen ablaufen. Übermorgen kommt der Getränkefahrer der Brauerei. Solange wir die Bar betreiben, erscheint der immer zwischen Viertel nach zehn und halb elf.«
»Brauchst du etwa ‘nen Zeugen, wie ich Achmed erledige?«
»Nein. Aber seit Jahren schließt Mausi um zehn die Hoftür auf und lässt sie angelehnt. Es gibt bestimmt etliche Leute in der
Weitere Kostenlose Bücher