Ein Tropfen Blut
nach.
»Nein. Der Kleine und ich sind über das Wochenende zu meiner Mutter gefahren. Und Gisbert hätte da niemals angerufen. Er und meine Mutter verstanden sich nicht.«
»Kornelia, ihr habt doch damals, bevor du schwanger geworden bist, eine Genanalyse machen lassen«, meinte Gassel.
»Ja. Woher weißt du das?«
»Das ist unwichtig. Habt ihr das schriftliche Ergebnis noch?«
»Irgendwo bestimmt. Wahrscheinlich liegt der Bericht in Gisberts Schreibtisch.«
»Vermutlich. Wir müssen uns leider noch ein wenig in eurer Wohnung umsehen. Bist du einverstanden?«
»Nennt man das nicht Hausdurchsuchung?«, fragte die Witwe in einem Anflug von Zynismus.
»So ähnlich. Mir wäre es jedoch lieber, wenn ich den Beschluss dazu in seinem Umschlag lassen könnte.«
»Seht euch ruhig um.«
Gassel nickte, dann machten sich die Beamten an die Arbeit. Katharina nahm sich Wohnzimmer, Küche, Diele und Schlafzimmer vor, während sich Gassel ganz auf den Familienkombi, die Garage und Heinzels Arbeitszimmer konzentrierte.
Als sich seine Kollegin eine gute Dreiviertelstunde später zu ihm gesellte, saß er scheinbar reglos auf dem bequemen Schreibtischstuhl. Aber seine Augen leuchteten ein wenig hoffnungsvoller als vorher.
»Hast du etwas gefunden?«, fragte Katharina sofort.
»Ich habe keine Ahnung, ob das wichtig ist«, sagte Gassel vorsichtig. »Auf Gisberts Schreibtisch lagen ein paar Blätter in einem dünnen Hefter ganz obenauf. Brettschneider hatte sie ihm vor ein paar Jahren ausgedruckt.«
»Das Ergebnis der Genanalyse?«, riet die Blonde.
»Genau. Und das kann kein Zufall sein.«
»In diesem Punkt gebe ich dir Recht. Aber ist das jetzt ein gutes Zeichen oder nicht?«
»Abwarten. Nehmen wir doch mal Folgendes an: Gisbert ist am Donnerstagabend, als Brettschneiders Fax bei uns eingeht, noch im Büro. Er liest sich das Analyseergebnis durch und fällt aus allen Wolken. Nicht nur, dass der vermeintliche Täter die gleiche seltene Blutgruppe wie er hat, er hat auch haargenau den Gendefekt, den ihm Brettschneider vor ein paar Jahren bescheinigt hat.«
»Vermutlich hatte er den Gendefekt«, dämpfte Katharina den Redefluss des Älteren.
»Ganz und gar nicht. Denn das hier lag ebenfalls in den Unterlagen.«
Gassel beförderte ein Faxpapier auf die Schreibtischplatte. Das Datum stammte vom Donnerstag, der Absender war das Gerichtsmedizinische Institut in Essen.
»Also hat er das Fax von Brettschneider gefunden und mit nach Hause genommen«, fasste Katharina zusammen. »Spricht in meinen Augen immer noch gegen und nicht für ihn.«
»Bis hierhin ja. Aber wenn Gisbert nun eine Idee hatte, wie jemand an sein Blut gekommen ist?«
»Versteh ich nicht«, gab Katharina zu.
»Ich habe in dem Ordner noch etwas gefunden. Einen Blutspenderausweis. Gisbert ist regelmäßig in ein Dortmunder Klinikum gefahren und hat sich dort anzapfen lassen. Zuletzt vor dreieinhalb Wochen.«
»Und?«, wollte Katharina wissen.
»Und was?«, echote Gassel. »Mädchen, eine bessere Gelegenheit, wie jemand an eine Blutprobe von Gisbert hätte kommen können, fällt mir nicht ein.«
»Du meinst, jemand hat sich da eine Konserve gemopst, um uns auf eine falsche Fährte zu locken?«
»Exakt«, freute sich Gassel über die schnelle Kombinationsgabe der Blonden.
»Quatsch«, widersprach Katharina. »Das hieße ja gleichzeitig, dass nicht nur die Vergewaltigungen geplant waren, sondern sogar der Mord an der Lacour.«
»So weit möchte ich nicht gehen«, meinte Gassel. »Aber es wäre schon fast genial, auf diese Weise eine falsche Spur zu legen.«
»Wahnsinn«, zweifelte Katharina. »Und wie sollen wir das beweisen?«
»Ganz einfach. Wir fahren sofort nach Dortmund und sehen uns dieses Klinikum mal an. Sollte da tatsächlich eine Konserve verschwunden sein, müssen die das in irgendeiner Form dokumentiert haben. Und dann haben wir ein Indiz, das für Gisberts Unschuld spricht.«
33
»Ich glaube, wir müssen hier entlang«, vermutete Katharina und zupfte Gassel am Ärmel. »Die Frau an der Information hat gesagt, die zweite Tür links und dann wieder rechts.«
»Links«, verbesserte sie der Kollege, folgte ihr aber trotzdem in den frisch gepinselten Gang, der hinter der Milchglastür abzweigte. Der Duft der neuen Farbe hing noch in der Luft und verursachte in Gassels Magen eine leichte Übelkeit.
Die Odyssee durch die Nachbarstadt war entnervend gewesen. Eigentlich lag die Blutspendestation der Klinik in einem Außengebäude in
Weitere Kostenlose Bücher