Ein Tropfen Blut
eine Peepshow, aber nachdem sie sich zwei Tage sinnlos gestritten hatten, hatte Katharina nachgegeben. Irgendwann würde das Ding schon von allein auseinander fallen.
»Kannst du auch nicht schlafen?«, fragte die Blonde eher rhetorisch und trat zu ihrem Kollegen ins Zimmer.
Gassel sah auf und schoss als Gentleman alter Schule sofort aus dem Sessel. Sein zerknautschtes Gesicht verdeutlichte, dass auch er noch keine Minute die Augen zugemacht hatte.
Katharina machte es sich auf der Couch bequem und spitzte die Ohren. Aus den Boxen plätscherte, weit unter Zimmerlautstärke, Alice Coopers Brutal Planet.
»Was hast du denn da aufgelegt? Karl Heinz Gassel und Hardrock?«
»Laut Ulli ist der Künstler mindestens so alt wie ich«, gab Gassel leise zurück. »Und, ob du es glaubst oder nicht, als neunundsechzig die erste Platte von Alice Cooper erschien, hab ich mir die gekauft. War aber nicht mein Fall.«
»Stimmt, du warst ja auch mal jung«, meinte Katharina amüsiert. Einen winzigen Augenblick stellte sie sich den stets penibel auf sein Erscheinungsbild bedachten Kollegen mit langen Haaren und Stirnband als ein Mitglied der Blumenkinder vor. Lieber nicht, das war zu grotesk.
Eine Weile hörten sie schweigend der Musik zu.
»Scheiße«, erklärte Gassel schließlich. Ein Blick in seine Augen machte Katharina klar, dass der Kraftausdruck nicht auf die Musik zielte.
»Tut ganz schön weh, nicht wahr?«
Das ehemalige Schwergewicht nickte und beugte sich vor. »Ich kannte Gisbert seit mehr als zwanzig Jahren. Ich möchte sogar sagen, wir waren miteinander befreundet. Und dieser Mensch soll plötzlich ausflippen und Frauen vergewaltigen? Eine soll er sogar getötet haben? Das geht über meinen Verstand.«
»Nicht nur über deinen«, bestätigte Katharina.
»Und das Schlimmste ist, nach dem, was wir wissen, muss er es gewesen sein. Das macht mich fertig.«
»Glaubst du daran?«
»An Gisberts Schuld?«, fragte Gassel. »Keine Sekunde. Aber ich kann die Indizien, die gegen ihn sprechen, nicht von der Hand weisen.«
»Mir geht es genauso. Zugegeben, Gisbert war zwar hin und wieder ein Arschloch, aber trotzdem hätte ich jederzeit meine Hand für ihn ins Feuer gelegt.«
»Ein Riesenarschloch sogar«, lächelte Gassel freudlos. »Er konnte hervorragend den arroganten Besserwisser heraushängen lassen. Aber wenn er jemanden mochte oder akzeptierte, war er absolut zuverlässig.«
»Ist dir an ihm in den letzten Jahren eine Veränderung aufgefallen?«, fragte Katharina vorsichtig. »Irgendetwas, was diesen ganzen Mist erklären könnte?«
»Nein«, antwortete Gassel sofort. »Wie er sich aufgeführt hat, nachdem Bernd unsere Abteilung übernommen hat, das war gänzlich daneben. Aber er war immer noch ein guter Polizist. Und nach den ersten zwei, drei Monaten hatte er sich doch wieder ganz gut in der Gewalt.«
»Findest du?«, zweifelte Katharina. »Ich hatte eher den Eindruck, er hätte keinen Bock mehr gehabt und es sogar darauf angelegt, Schwierigkeiten zu bekommen.«
»Er hatte keine Lust mehr, das ist wahr. Allerdings sind die Planspiele dieser Staatsanwältin, warum Gisbert zum Triebtäter geworden sein soll, reine Hirngespinste.«
»Ich will die de Vries ja nicht in Schutz nehmen, aber ich habe heute Nachmittag noch kurz mit Lohkamp gesprochen«, entgegnete Katharina. »Je länger er über die Ausführungen der de Vries nachgedacht hat, umso plausibler wurde ihm ihre Theorie. Und einige Tatsachen können wir einfach nicht ignorieren.«
»Ich weiß, ich weiß, das Blut am Fundort der Leiche«, seufzte Gassel resignierend. »Ich habe mir schon stundenlang den Kopf zermartert, mir fällt einfach keine logische Erklärung dafür ein.«
»Nicht nur die Blutspur«, ergänzte Katharina. »Gisbert hat Wielert in Anwesenheit von Kwiatkowski angedroht, er würde dafür sorgen, dass er seinen Job verliert.«
»Ich akzeptiere das nicht!«, rief Gassel verzweifelt.
Katharina warf einen besorgten Blick Richtung Kinderzimmer, aber Arne blieb ruhig. »Karl Heinz, eine Sache, die unsere Staatsanwältin von sich gegeben hat, macht mich nachdenklich. Angenommen, die Spuren, die wir bisher gefunden haben, sprächen nicht gegen Gisbert, sondern gegen jemanden, der uns nicht persönlich bekannt ist. Wärst du dann genauso von dessen Unschuld überzeugt?«
»Fängst du jetzt auch noch an?«
»Beantworte bitte meine Frage.«
»Hilf mir lieber, seine Unschuld zu beweisen!«, bat Gassel mit großen Augen.
»Karl Heinz, wie
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