Ein Tropfen Blut
verantwortlich zu sein.«
»So meinte ich das eigentlich nicht«, wehrte Gassel ab.
»Ich aber«, meinte Wielert. »Versetz dich einen Augenblick in die Denkweise dieser Frau.«
»Bisher haben wir keinen ungeklärten Mord«, sagte Katharina dumpf, »abgesehen von den aktuellen Fällen.«
»Eben«, grunzte Wielert. »Wir stehen sauber da und plötzlich rappelt es an allen Ecken. Erst die Vergewaltigungsserie mit dem ersten Mord, dann Werner Peeren. Nirgendwo finden wir eine brauchbare Spur, alles ist sorgfältig geplant und vorbereitet, als wüsste der Täter jedes Detail über die Ermittlungsmethoden der Kripo. Und dann finden wir eine winzig kleine Blutspur.«
»Lass uns erst mal versuchen, der Staatsanwältin die Pressekonferenz auszureden«, schlug Gassel vor. »Aus diesem Grund sind wir ja wohl hier.«
Wielert schnippte seine Kippe aus dem Fenster und seufzte. »Los geht’s.«
Frau de Vries residierte in einem schmucken Einfamilienhäuschen unweit des Weitmarer Holzes, eine der begehrtesten und teuersten Wohngegenden Bochums. Das Gebäude, in einer ruhigen Seitenstraße gelegen, versteckte sich hinter einem Weinen Vorgarten, in dem einige weit ausladende Obstbäume die neugierigsten Blicke abwehrten.
»Sieh mal, die wohnt tatsächlich mit einem Kerl zusammen«, bemerkte Katharina, nachdem sie auf den Klingelknopf an dem kleinen Gartentörchen gedrückt hatte.
Aus dem kleinen Lautsprecher der Gegensprechanlage knarzte undeutlich eine weibliche Stimme. Durch das Fiepsen und Kratzen ließ sich mit einiger Mühe die Frage erkennen, wer es wage, zu stören. Wielert nannte seinen Namen, kurz darauf ertönte der Summer.
Als sie die Haustür fast erreicht hatten, schwang diese nach innen auf. Eine zierliche Brünette baute sich auf der Schwelle auf und sah ihnen fragend entgegen.
»Darf ich bitte Ihren Ausweis sehen?«, fragte sie.
Wielert verzog keine Miene und präsentierte seine Marke.
»Wer ist denn da?«, hörten die Beamten eine zweite weibliche Stimme aus dem Hintergrund.
»Kripo«, rief die Brünette amüsiert zurück. »Bitte, kommen Sie doch herein. Claudia war gerade duschen, aber sie müsste jeden Augenblick fertig sein.«
»Danke, sehr freundlich«, nickte Wielert. Hinter ihm malträtierte Gassel ausgiebig den Fußabtreter, während Katharinas Augen neugierig über die Wände flitzten. Aber so sehr die Blonde sich auch anstrengte, nirgends konnte sie auf Pfähle gespießte Säuglinge oder auf dem Kopf stehende Kruzifixe erkennen.
»Gehen Sie doch am besten durch ins Wohnzimmer«, meinte die zierliche Frau und warf Katharina einen intensiven Blick zu. Die Blonde fühlte sich ertappt, räusperte sich vernehmlich und heftete ihre Augen auf Gassels breite Schultern.
»Kann ich Ihnen etwas anbieten? Einen Kaffee oder einen Tee? Sie sehen müde aus.«
»Danke, aber wir bleiben nicht lange, Frau…«
»Mitschke«, antwortete die Brünette prompt.
Katharina runzelte die Brauen. Mitschke war der zweite Name auf dem Schild neben der Schelle gewesen.
Irgendwo im Haus hörte sie eine Tür schlagen, dann näherten sich stampfende Schritte. Kurz darauf bog de Vries ins Wohnzimmer, von den stämmigen Knien bis zum Hals in einen stahlblauen Bademantel gehüllt. Ihre Haare hingen tropfnass durcheinander, die Staatsanwältin nibbelte mit einem über den Schultern hängenden Handtuch die gröbste Feuchtigkeit heraus. Als sie die Beamten entdeckte, blieb sie einen Augenblick stehen, dann deutete sie mit dem Kopf knapp auf ein gigantisches Rundsofa.
»Ihr Besuch kommt ziemlich unerwartet«, sagte sie leicht verärgert und griff nach einer Packung mit Zigarillos. »Glauben Sie, mich mit Überstunden beeindrucken zu können?«
»Och nein, über Überstunden denken wir gar nicht mehr nach«, gab Wielert lässig zurück. »Hat die Kripo in Berlin immer pünktlich Feierabend gemacht?«
De Vries ging nicht auf die Provokation ein, sondern zeigte jetzt mit dem Finger auf das Sofa, da die Beamten immer noch standen. »Hast du unseren Gästen nichts angeboten?«, fragte sie die Brünette in dem gleichen mürrischen Ton, den sie für die Beamten übrig hatte.
»Sie wollten nichts«, erwiderte Mitschke lächelnd und pflückte de Vries den dampfenden Zigarillo aus der Hand. »Bleiben deine Kollegen zum Essen?«
»Das sind nicht meine Kollegen«, antwortete de Vries humorlos. »Und nein, sie bleiben nicht zum Essen.«
»Schade«, meinte Mitschke. »Ich hätte gerne mal wieder Besuch. Aber ich will nicht länger
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