Ein Tropfen Blut
er hat mal bei seinem Hausarzt vorbeigesehen, aber der hat nie Blut abgenommen. Wenigstens nicht in den letzten neun Monaten.«
»Scheiße«, fasste Hofmann zusammen. »Gisbert hat sich bestimmt nicht freiwillig von irgendeinem wildfremden Typen pieksen lassen.«
»Stimmt«, sagte Wielert. »Aber das war nicht alles, was heute passiert ist. Was wollt ihr zuerst hören? Die gute oder die schlechte Nachricht?«
Hofmann sah zu Katharina hinüber, aber die Blonde zuckte ahnungslos mit den Achseln. Anscheinend hatte ihr Boss mit seiner Ankündigung gewartet, bis die Truppe vollzählig war.
»Erst die schlechte«, bat Gassel.
»Morgen früh gibt unsere geschätzte neue Staatsanwältin eine Pressekonferenz«, berichtete Wielert. »Und ich müsste mich sehr irren, wenn sie bei der Gelegenheit nicht Gisbert öffentlich als Triebtäter und Mörder hinstellt.«
»Das kann die doch nicht machen«, japste Katharina wieder hellwach. »Da ist doch gar nichts bewiesen.«
»Erzähl das bitte nicht mir«, seufzte Wielert. »Frau de Vries ist von ihrer Theorie so überzeugt, dass sie sich nicht davon abbringen lässt.«
»Das kannst du nicht zulassen«, forderte Hofmann.
»Oder glaubst du mittlerweile selbst an Gisberts Schuld?«
»Ich glaube gar nichts. Allerdings widerspricht ein solches Vorgehen gehörig meiner Auffassung vom Unschuldsprinzip. Die Indizien sind zwar sehr belastend, aber ob das für eine Verurteilung reichen würde…?«
»Dann rede dieser Dame ihre Schnapsidee aus. Wenn sie so einen Unsinn verbreitet, ruiniert die nicht nur Gisberts Ruf bis in alle Ewigkeit, sie macht sich auch selbst lächerlich.«
»Und was soll ich ihr erzählen?«, regte sich Wielert auf. »Kinder, wir haben nichts, aber auch gar nichts in der Hand.«
»Wenn du nicht hingehst oder anrufst, mach ich es«, erklärte Gassel.
»Und ich komme mit«, meinte Katharina.
»Ihr werdet den Teufel tun«, wehrte Wielert ab. »Das ist mein Job.«
»Dann gehen wir eben alle«, blieb Katharina stur.
»Es gab da noch eine gute Nachricht?«, wechselte Gassel schnell das Thema, bevor die Situation eskalierte.
»Was?«, fragte Wielert. »Ach ja, ein Augenzeuge hat sich gemeldet. In Bezug auf den Mord an diesem… Werner Peeren.«
»Und der meldet sich erst jetzt?«, fragte Schäfer.
Wielert hob die Achseln. »Besser spät als nie. Eigentlich wollte er schon seit gut fünfzehn Minuten hier sein. Hoffentlich hat er es sich nicht anders überlegt.«
»Na, sehen wir mal nicht zu schwarz«, meinte Hofmann.
»Übrigens, hast du schon etwas wegen dieses Schließfachschlüssels erreicht?«
Hofmann zog die Augenbrauen hoch. »Ich bin dran. Die meisten Banken haben schon geantwortet, viel Auswahl bleibt nicht mehr. Aber es ist kaum zu vermuten, dass Peeren, wenn er an seine Unterlagen wollte, eine Fernreise veranstaltet hat. Bis Ende der Woche hab ich das Schließfach bestimmt gefunden.«
Als sie schon gar nicht mehr damit rechneten, schob sich ein Teddybär in Übergröße ins Zimmer. Bestimmt jenseits der fünfzig, unübersehbare graue Strähnen in den ursprünglich dunklen Haaren, große braune Augen hinter dicken Brillengläsern über einem Vollbart. Katharina tippte spontan auf Sozialarbeiter.
»Man sagte mir unten, hier wäre die Mordkommission?«, erkundigte sich der Besucher mit einer weichen, angenehmen Stimme.
»Korrekt«, nickte Wielert.
»Rainer Jungblut«, stellte sich der Teddy vor und reichte Wielert die Hand. Die anderen bedachte er mit einem Kopfnicken.
»Herr Jungblut, Sie haben eine Aussage zu machen?« Wielert scheuchte Thalbach mit einem Blick von ihrem Hocker. Der Mann lächelte und platzierte seine vier Buchstaben.
»Ich glaube, ich habe den Mörder gesehen.«
»Und das fällt Ihnen erst jetzt wieder ein?«, fragte Katharina impulsiv.
»Entschuldigung, aber ich war bis gestern Abend nicht in Bochum«, erklärte Jungblut der Kommissarin, wobei er sich auf dem Hocker kunstvoll verschraubte. »Ich war auf Klassenfahrt.«
Katharinas Sympathie für den Teddy sank gegen null. Wieder so ein Typ, der mit einem Halbtagsjob mehr Kohle nach Hause schleppte als sie mit ihren ganzen Überstunden.
»Was haben Sie beobachtet?«, erkundigte sich Gassel.
»Nun ja, an diesem Morgen war ich nicht in der Schule, ich hatte einen Arzttermin. Ein oder zwei Wochen vorher hatte ich mir beim Tischtennisspielen einen Muskelfaserriss zugezogen und der war noch nicht völlig ausgeheilt.«
Bevor er den Wissensdurst der Beamten stillte, kramte er
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