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Ein Tropfen Zeit

Titel: Ein Tropfen Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne DuMaurier
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und versprach, mir zum Mittagessen eines ihrer eigenen Hühnchen zu braten. Ich hatte keinerlei Absicht, nach ›da drunten‹ zu gehen, schlug die Zeitung auf und trank meinen Kaffee. Aber das ohnehin nur schwache Interesse an den Sportneuigkeiten schwand bald, und meine Gedanken kehrten zurück zu der alles beherrschenden Frage, was denn eigentlich am vergangenen Nachmittag geschehen war.
    Bestand zwischen Magnus und mir eine telepathische Verbindung? Wir hatten das in Cambridge mit Karten und Zahlenspielen ausprobiert, aber es hatte nie geklappt, außer ein- bis zweimal zufällig. Und damals hatten wir uns viel näher gestanden als jetzt. Ich konnte mir weder ein telepathisches noch sonst irgendein Mittel vorstellen, welches bewirkte, daß Magnus und ich die gleichen, zeitlich ungefähr drei Monate auseinanderliegenden Erlebnisse hatten – er hatte die Droge offenbar Ostern ausprobiert –, es sei denn, das Erlebnis war unmittelbar mit vergangenen Ereignissen in Kilmarth verknüpft. Ein Teil des Gehirns, hatte Magnus gesagt, konnte zu einer Umkehrung der Zeit veranlaßt werden und stellte, wenn es unter dem Einfluß der Droge stand, Zustände einer früheren Periode wieder her. Warum aber jene bestimmte Zeit? Hatte der Reiter eine so unzerstörbare Spur in seiner Umgebung hinterlassen, daß jede frühere oder spätere Epoche ausgelöscht war?
    Ich dachte an jene Zeit, da ich als Student in Kilmarth gewesen war. Dort herrschte immer eine lässige, sorglose Atmosphäre. Ich entsann mich, daß ich Mrs. Lane fragte, ob es im Haus Gespenster gäbe. Eine überflüssige Frage, denn das Haus wirkte gewiß nicht so, als werde es von Geistern heimgesucht. Ich fragte nur, weil es alt war.
    »Du liebe Zeit, nein!« rief sie. »Wir sind viel zu sehr mit uns selbst beschäftigt, um an Gespenster zu denken. Die Ärmsten würden ja vor Langeweile umkommen, da sich kein Mensch um sie kümmern würde. Warum fragst du?«
    »Aus keinem bestimmten Grund«, versicherte ich und fürchtete, sie beleidigt zu haben. »Nur weil die Leute in den meisten alten Häusern sich etwas auf ihr Gespenst einbilden.«
    »Also wenn es in Kilmarth eins gibt, dann haben wir jedenfalls nie etwas davon bemerkt«, sagte sie. »Das Haus schien uns immer ganz normal. An seiner Geschichte ist übrigens nichts besonders Interessantes. Sechzehnhundertsoundsoviel gehörte es einer Familie Baker, und dann bauten die Rashleighs es im achtzehnten Jahrhundert um. Über den Ursprung weiß ich nichts, aber irgend jemand sagte uns mal, die Fundamente stammten aus dem vierzehnten Jahrhundert.«
    Damit war die Sache abgetan, aber jetzt fielen mir ihre Worte über die Fundamente aus dem vierzehnten Jahrhundert wieder ein. Ich dachte an die Räume im Kellergeschoß und an den Hof, der aus ihnen hinausführte, und daß Magnus ausgerechnet die alte Waschküche als Labor benutzte. Zweifellos hatte er seine Gründe dafür. Sie lag weit entfernt vom bewohnten Teil des Hauses, und so war er dort ungestört und sicher vor Besuchern und vor Mrs. Collins.
    Ich stand ziemlich spät auf, schrieb in der Bibliothek Briefe, würdigte Mrs. Collins gebratenes Hühnchen und versuchte, meine Gedanken auf die Zukunft zu richten und mir meinen Entschluß hinsichtlich der angebotenen Stellung in New York zu überlegen. Es war zwecklos. Das alles schien weit fort. Dafür blieb noch Zeit genug, wenn Vita ankam und wir alles gemeinsam durchsprechen konnten.
    Ich blickte aus dem Fenster des Musikzimmers und sah, wie Mrs. Collins den Fahrweg hinauf nach Hause ging. Es nieselte immer noch, und vor mir lag ein langer, wenig einladender Nachmittag. Ich weiß nicht, wann mir der Gedanke kam. Vielleicht trug ich ihn schon mit mir herum, seit ich aufwachte. Ich wollte beweisen, daß zwischen Magnus und mir keine telepathische Verbindung bestanden hatte, als ich am Tag zuvor die Droge einnahm. Er hatte mir gesagt, er habe sein erstes Experiment im Labor gemacht, so wie ich. Möglicherweise war im gleichen Augenblick, als ich das Zeug hinunterschluckte, eine geistige Verbindung zwischen uns entstanden, die meine Gedankengänge und das, was ich im Laufe des Nachmittags sah oder zu sehen meinte, beeinflußt hatte. Ob die Wirkung wohl ganz anders ausfiel, wenn man die Droge nicht in jenem unheimlichen Labor einnahm, das an die Zelle eines Alchimisten erinnerte? Das konnte ich nie erfahren, wenn ich es nicht ausprobierte.
    Im Speisekammerschrank stand eine kleine Flasche in Taschenformat – ich hatte sie

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