Ein Tropfen Zeit
einmal ein Hof dieses Namens gestanden; Professor Lane hat vielleicht im Zusammenhang mit seinen historischen Forschungen versucht, ihn zu finden.« Dann fiel mir plötzlich etwas anderes ein. »Wo liegt eigentlich Trelawn?«
»Trelawn?« widerholte der Inspektor erstaunt. »Das ist ein Gut ein paar Kilometer von Looe, gut fünfundzwanzig Kilometer von hier entfernt. Professor Lane würde sicher nicht um neun Uhr abends noch versucht haben, ihn zu erreichen.«
»Natürlich nicht. Ich versuche nur, mich an alte Häuser von historischem Interesse zu erinnern.«
»Ja, aber Liebling«, unterbrach mich Vita, »der Inspektor sagte doch eben gerade, daß Magnus wohl kaum so weit gehen würde, ohne uns zu benachrichtigen. Ich verstehe nicht, warum er nicht angerufen hat.«
»Er rief nicht an, Mrs. Young«, warf der Inspektor ein, »weil er offenbar glaubte, Ihr Gatte würde wissen, wohin er ging.«
»Ja, aber ich wußte es nicht«, sagte ich. »Ich weiß es auch jetzt noch nicht. Ich wünsche von ganzem Herzen, ich wüßte es.«
Plötzlich läutete das Telefon. Es war ein Echo auf all unsere Gedanken. »Ich nehme ab«, sagte Vita, die der Tür am nächsten stand. Sie ging in die Bibliothek; wir standen schweigend im Musikzimmer und lauschten ihrer Stimme.
»Ja«, sagte sie kurz, »er ist hier, ich hole ihn.«
Sie kam zurück und teilte dem Inspektor mit, der Anruf sei für ihn. Wir warteten drei oder vier Minuten, die endlos schienen, während er einsilbig und mit gedämpfter Stimme antwortete. Ich sah nach der Uhr. Halb eins. Ich hätte nie geahnt, daß es schon so spät war. Als der Inspektor wiederkam, blickte er mich an, und ich fühlte instinktiv, daß etwas vorgefallen war.
»Es tut mir sehr leid, Sir«, sagte er, »es handelt sich um eine schlechte Nachricht.«
»Bitte sprechen Sie.«
Man ist nie genügend gewappnet. Noch in den schlimmsten Augenblicken glauben wir, es würde sich doch alles zum Guten wenden. Man würde höchstens melden – so redete ich mir ein –, Magnus sei gefunden und ins Krankenhaus gebracht worden, und er leide unter zeitweiligem Gedächtnisschwund.
Vita trat zu mir und nahm meine Hand.
»Eine Meldung vom Polizeirevier in Liskeard«, sagte der Inspektor. »Eine unserer Streifen hat bei Treverran am Bahndamm diesseits des Tunnels die Leiche eines Mannes entdeckt, der Professor Lane ähnlich sieht. Er scheint von einem vorbeifahrenden Zug einen Schlag gegen den Kopf erhalten zu haben, ohne daß Lokomotivführer oder Heizer ihn bemerkten. Anscheinend gelang es ihm noch, in eine kleine unbewohnte Hütte dicht über dem Bahndamm zu kriechen, bevor er zusammenbrach. Es sieht aus, als sei er schon seit ein paar Stunden tot.«
Ich stand reglos und starrte den Inspektor an. Der Schock hat eine seltsame Wirkung; er betäubt jede Gefühlsregung. Mir war, als versiege das Leben selbst und lasse nun auch mich gleich einer leeren Hülle zurück. Ich wußte nur, daß Vita meine Hand hielt.
»Ich verstehe«, sagte ich, aber es war nicht meine Stimme. »Was soll ich tun?«
»Der Wagen ist unterwegs zum Leichenschauhaus in Fowey«, sagte er. »Es ist mir sehr unangenehm, daß ich Sie in diesem Augenblick noch belästigen muß, aber ich glaube, das beste wäre, wenn wir Sie gleich dorthin mitnähmen, um den Toten zu identifizieren. Ich wünschte um Ihretwillen und für Ihre Gattin, daß es nicht Professor Lane ist, aber angesichts der Umstände kann ich Ihnen nicht viel Hoffnung machen.«
»Nein, natürlich nicht«, sagte ich.
Ich ließ Vitas Hand los und ging hinaus in das heiße Sonnenlicht. Auf dem Feld unterhalb der Wiese von Kilmarth stellten ein paar Pfadfinder Zelte auf. Ich hörte, wie sie riefen und lachten und die Pflöcke in den Boden schlugen.
17
Als wir das Leichenschauhaus, ein ziemlich kleines rotes Ziegelsteingebäude unweit des Bahnhofs von Fowey, erreichten, war niemand dort; der zweite Streifenwagen war also noch unterwegs. Als ich ausstieg, musterte der Inspektor mich rasch und sagte dann: »Ich würde Ihnen gern im Wirtshaus dort an der Straße eine Tasse Kaffee anbieten.«
»Danke«, sagte ich, »aber mir fehlt nichts.«
»Ich will Sie nicht überreden«, fuhr er fort, »aber es wäre wirklich vernünftig. Sie würden sich danach besser fühlen.«
Ich gab nach, und er ging mit mir in das Lokal. Wir tranken beide eine Tasse Kaffee, und ich aß ein Schinkenbrot. Währenddessen dachte ich an vergangene Zeiten, da Magnus und ich als Studenten nach Par gefahren waren um
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