Ein tüchtiges Mädchen
Büro des Vertreters der Reederei. Sie durfte sich des Telefons bedienen und sprach quer über die Nordsee mit ihrem Chef Myrseth.
„Ich will das Eisen schmieden, solange es heiß ist“, erklärte Gerd. „Können wir diese Kisten liefern und wann, und können Sie einen Preis nennen?“
Myrseth versprach, ihr im Laufe des Tages ein Telegramm zu senden mit allen gewünschten Aufschlüssen. Zum Schluß des Gespräches erlaubte er sich zu bemerken, daß Fräulein Elstös Stimme ungewöhnlich aufgeräumt klinge. Bewirkte das ihre Nordseedurchkreuzung bei Sturm? Oder hatte sie etwas Besonderes erlebt?
„Ja“, sagte Gerd. „Ich erlebte genau das, was ich nötig hatte. Tausend Dank, daß Sie mir diese Reise ermöglichten.“
Ein Tuten im Hörer verkündete, daß schon neun Sprechminuten vorüber seien, und Gerd legte lächelnd den Hörer auf die Gabel zurück.
„Hol der Teufel die sauren Pflichten eines Schiffsführers“, murrte Helge. „Wie, glaubst du, ist mir zumute, wenn ich an Bord dieses Kahns zurückmuß und weiß, daß du inzwischen mit einem anderen zum Lunch gehst, mit einem charmanten Geschäftsmann, dem gegenüber du verpflichtet bist, ihn zu bezaubern?“
„Alles für die Firma“, lachte Gerd. „Ich sehe jedes Mittel für erlaubt an, wenn wir nur diese Kistenbestellung kriegen.“
„Ich werde dich lehren, alle Mittel anzuwenden, du Racker!“
Gerd sah ihn schräg von der Seite an.
„Tu das, Helge.“
„Du kleines Biest! Du könntest einen Mann wahrhaftig dazu bringen, seine Pflichten zu vergessen.“
„Ja, du aber kriegst mich nicht dazu, meine zu vernachlässigen. Jetzt kannst du mir ein Taxi beschaffen. Ich gehe aus, um Kisten zu verkaufen, und habe keine Zeit, Geselligkeit zu pflegen.“
„Du bist ein Teufelsmädel“, murmelte Helge halb ärgerlich, halb lachend.
Dann winkte er ein Taxi herbei.
„Wann kommst du denn wieder an Bord?“
„Wenn ich gegessen, Mr. Clement becirct und Perlonwäsche für Krauskopfs Auserwählte besorgt habe – Sachen, die selbst einzukaufen ihm seine jungenhafte Schüchternheit nicht erlaubt.“
Damit fuhr Gerd davon, und Helge begab sich mit einem schweren Seufzer an seine Arbeit.
Sie sahen sich erst viel später am Tag wieder. Und da waren sie nicht allein. Der Vertreter der Reederei war an Bord gekommen und blieb bis zum Abend. Er erzählte schmunzelnd, daß er immer dafür sorge, eine Abendeinladung auf den norwegischen Schiffen zu erhalten, wegen der „lovely Norwegian sandwiches“. Er ließ auch dem norwegischen Brot, der Räucherwurst, dem Ziegenkäse und den Heringsgabelbissen volle Anerkennung widerfahren.
Er war nett und unterhaltend und ahnte nicht, wie inbrünstig er dorthin gewünscht wurde, wo der Pfeffer wächst. Nach dem Essen saß er fest bei einem langen Schwatz mit Helge, so lang und langweilig, daß Gerd sich schließlich zurückzog. Der Abend war ja doch verdorben.
Halb lächelnd, halb grollend zog sie sich aus und ging zu Bett, nachdem sie vorher eine schreckliche Menge Ruß von sich abgewaschen hatte. Wie man nur an einem einzigen Tag so schmutzig werden konnte?
Dann lag sie in ihrer Koje mit offenen Augen und genoß es, „nur zu wissen“, wie sie es für sich nannte. Zu wissen, mit jedem Nerv zu fühlen, daß sie geliebt wurde. Von dem Mann geliebt, den sie selbst über alles auf der Welt liebte – geliebt mit einer Stärke, die sie beinahe erschreckte.
Sie machte das Licht aus. Machte einen Versuch zu schlafen. Das Biest da drinnen bei Helge würde bestimmt nicht eher verschwinden, bis er einen Whisky-Soda bekommen hatte – Himmel, wie klebte er doch…
Sie war beim Einschlafen, als sie ein Lichtstreifchen bemerkte. Sie richtete sich in der Koje auf.
„Hast du geschlafen, mein Schatz?“
„Nein – nur beinahe.“
„Hier ist ein Telegramm für dich.“
Gerd knipste die Nachttischlampe an und riß das Telegramm auf. Sie lächelte.
„Prima! Myrseth ist ein Goldschatz. Der hat vielleicht heute was geschafft! Jetzt habe ich ein positives Angebot für meinen Freund Clement, wenn ich ihn morgen treffe.“
„Du bist ein schreckliches Weibsbild. Sogar im Bett denkst du nur an Geschäfte!“
„Nicht nur, Helge!“
Er beugte sich über sie, nahm ihren Kopf zwischen seine Hände und küßte sie.
„Mein kleines Mädchen – du mein einziges, geliebtes Mädchen…“ Seine Stimme war heiser.
Sie legte den Kopf an seine Brust.
„Wie dein Herz klopft, Helge.“
Sie blickte auf, in sein Gesicht. Die beiden
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