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Ein tüchtiges Mädchen

Ein tüchtiges Mädchen

Titel: Ein tüchtiges Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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verspreche, das halte ich auch.“
    Gerds Nerven waren am Zerspringen. Es war nicht bloß Seewasser, was nun an ihren Wangen herunterrann. Sie hob die Hand, um das klatschnasse Kopftuch abzunehmen. Da gab es der „Babette“ einen Ruck, Gerd stolperte vornüber, und Helge fing sie auf.
    Er blieb in seinem nassen Ölzeug stehen, mit Gerd in den Armen. Dann wurde sie gedrückt, gepreßt gegen den Ölmantel, ein warmes, rotes, nasses Gesicht kam näher – und dann geschah es.
    Ihr Arm in dem nassen Regenmantel legte sich um seinen Hals, und er küßte sie, küßte sie wieder und wieder, küßte ihren Mund und die Augen und die Stirn und die Wangen, und wieder den Mund.
    „Gerd – Gerd – Gott im Himmel, Gerd, ich bin auch nur ein Mensch!“
    Sie war ganz still in seinen Armen. Ein verklärtes Lächeln leuchtete auf ihrem Gesicht. Sie machte die Augen auf und sah in die seinen.
    „Wir sind zwei Menschen, Helge“, flüsterte sie.
    Die nassen Regenmäntel waren zum Trocknen aufgehängt. Jetzt kniete Helge vor ihr und zog ihr die Gummistiefel aus. Er behielt ihre Füße zwischen seinen Händen, drückte sie an seine Wangen. Dann beugte er sich hinab und verbarg sein Gesicht in ihrem Schoß.
    Sie strich ihm übers Haar. Noch einmal, noch einmal.
    „Gerd… Meine kleine Gerd… Wenn du wüßtest, wie lieb ich dich habe!“
    „Und ich dich, Helge.“
    Von dem Augenblick an, wo es geschah, war seine Ruhe hin. Er war gereizt, nervös, hektisch. Sie war ruhig geworden. Die Spannung hatte sich gelöst, und das Glück erfüllte sie so, daß sie sich ganz matt fühlte.
    „Liebster…“
    „Liebste, Geliebteste – mein Mädchen – meine kleine Reisekameradin – mein kleines geliebtes Mädchen…“
    Er riß sich los für einen Augenblick, um ihre Schuhe aus der Nachbarkabine zu holen. Kurz danach saßen sie dicht beieinander auf der Polsterbank; sie merkten den Seegang nicht und dachten nicht an den Wind, der durch das Tauwerk der kleinen „Babette“ heulte. Sie fühlten ihre Nähe und wußten, daß sie sich liebten.
    Das genügte. Sie sprachen kaum. Sie waren von dem großen, überwältigenden, beinahe scheuen Wunder erfüllt, das seit der Schöpfung der Welt jedes Menschenpaar erfüllt hat, das sich die gegenseitige Liebe gestanden hat.
    „Ich dachte, du hättest mich nicht lieb“, flüsterte Gerd endlich. Sie saß in seiner Armbeuge und spielte mit einem seiner Jackenknöpfe.
    „O Gott, und ob ich dich liebhabe – du ahnst es ja nicht, du weißt ja nicht… Von dem Augenblick an, als ich dich in Kristiansand sah, als du ins Flugzeug kamst – und als sich unsere Blicke trafen, weißt du es noch…“
    „Ja, es war, als der kleine Junge rief: ,Jetzt fliegen wir, Mutti!’“
    „Ja, genau.“ Dann sagte ich mir: „Helge, die ist es! Die ist es, auf die du dein Leben lang gewartet hast!“
    „Und trotzdem…“ Gerd schwieg. „Und trotzdem habe ich so viele Tage und Stunden gewartet, meinst du? Kind, ich konnte doch nicht damals im Flugzeug aufstehen und zu dir hingehen und laut durch den Lärm rufen: Verzeihen Sie, gnädiges Fräulein, aber ich liebe Sie!“
    „Nein, aber du hättest es sagen können – ja, zum Beispiel in Hamburg – “
    „Und riskieren, dich zu erschrecken? Dich zu verlieren? Verstehst du nicht, Gerd, dieses Gefühl war so überwältigend, so seltsam, es – ja es war beinahe erschütternd. Ich ahnte ja nicht, daß ich – daß ich…“
    „Daß du was, Helge?“
    „Daß ich die Fähigkeit hatte, so viel zu empfinden! Liebste, wie soll ich dir das erklären? Ich war mein Leben lang sehr ruhig – und dann entdecke ich plötzlich, daß so ein kleines blondes Lockenköpfchen in mir eine Flamme gezündet hat, eine Flamme, die… ach Gerd, warum sitzen wir hier und reden? Ist das nötig? Ich liebe dich, mein Mädchen, ich liebe dich – das ist ein Wort, das ich nie in meinem Leben gebraucht habe. Frage nicht, warum ich dich liebe, ich weiß es nicht. Ich weiß nur, daß ich es tu’, und daß du immer, aber auch immer in meinen Gedanken bist!“
    Gerd horchte, horchte mit einem zitternden, klopfenden Herz. Nie hatte ein Mann so mit ihr geredet. Es kam aus der Tiefe eines Menschenherzens, aus einem Herzen, das sich bis jetzt niemandem geöffnet hatte. Es kam von einem erwachsenen, reifen Mann. Von dem Mann, dem Gerd bis zum Lebensende gehören würde.
    Er nahm ihren Arm, schob den Ärmel hoch und küßte ihr Handgelenk, den Unterarm, die Ellenbeuge. Dann legte er ihre Hand gegen seine

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