Ein tüchtiges Mädchen
nicht daraus werden, sie müßten dieses Erlebnis als eine nette Erinnerung behalten – das war alles gesagt worden, viel einfacher, viel brutaler und leicht verständlich von Erna selbst. Gerd hatte einen „Puppenmann“ von Erna gestohlen, als sie Kind war. Wenn Erna gewußt hätte, daß es ihr eine Gewohnheit war!
Plötzlich erinnerte sich Gerd an den Brief, den sie damals von Trygve bekommen hatte. Ein Mann habe eben manchmal seine schwachen Augenblicke, alles sei nur ein Abenteuer gewesen, sie müsse versuchen zu verstehen…
So verteidigte sich ein Mann hinterher und fand Ausreden seiner Braut gegenüber.
Aber jetzt war sie es, sie selbst, Gerd Elstö, die als Abenteuer und Zufall versteckt und verleugnet werden mußte.
Die Demütigung brannte in ihr.
Nein! Es sollte nicht notwendig werden, Erklärungen und Entschuldigungen zu erfinden! Sie wollte diese Komödie Erna gegenüber durchführen, sie wollte diese vierundzwanzig Stunden an Bord schaffen! Nicht wegen Helge, nicht wegen Erna, sondern um ihrer selbst willen.
Sie wollte sich selbst davor schützen zusammenzubrechen.
Gerd fühlte die Kraft in ihrem Inneren – die Kraft in ihrem todmüden Körper und in ihrer kleinen, verzweifelten, gepeinigten Seele.
Ihre ehrliche, warme, aufrichtige Liebe hatte den Todesstoß bekommen. Daß sie mit offenen und ehrlichen Augen, bewußt und sicher dem Mann alles gegeben hatte, den sie liebte – dessen schämte sie sich nicht. Denn als sie es tat, wurde sie nur von einem dazu getrieben: einer wirklichen Liebe. Aber daß der Mann, den sie liebte, so etwas Gemeines, so etwas Demütigendes, so etwas Schreckliches tun konnte wie dies – sie dazu zu gebrauchen, seine Verlobte zu betrügen –, das war zu viel für Gerds anständige Gesinnung.
14
„Aber liebes Kind, wie sehen Sie denn aus?“ Myrseth blickte Gerd mit erschrockenen Augen an.
„Wie ich aussehe?“
„Kind, Sie sind ja mager wie ein Gespenst! Und ganz weiß im Gesicht. Sind Sie krank? Sie schienen so frisch am Telefon in Newcastle. Aber jetzt sehen Sie aus, als ob Sie zusammenbrechen wollten.“
„Das geht schon vorüber, Herr Direktor. Vielleicht ist es die Luftveränderung.“
„Nun ja, vielleicht. Aber wenn Sie in drei Tagen nicht besser aussehen, telegrafiere ich an Ihre Mutter, damit sie kommt und sich Ihrer annimmt.“
„Arme Mutter! Warum wollen Sie ihr denn bange machen?“
„Nein, Ihnen will ich bange machen. Na, jetzt will ich Sie nicht länger plagen, aber sehen Sie zu, daß Sie ordentlich essen und schlafen. Sie brauchen die ersten Tage nicht vor 10 Uhr ins Büro zu kommen. In der ersten Stunde ist ja im Grunde nichts anderes zu tun, als die Post zu öffnen und zu sortieren, und das liegt wohl im Bereich der Möglichkeiten unseres Intelli-Genzchens? Heute ist Montag. In dieser Woche beginnt Ihre Bürozeit also um 10 Uhr. Ist das klar? Gut. Und jetzt muß ich Ihnen noch herzlich für den Vertragsabschluß danken, den Sie zustande gebracht haben. Sie sind wirklich ein Tausendsassa. Jetzt verdanke ich Ihnen schon zwei außergewöhnlich gute Geschäfte. Leider wird das schreckliche Konsequenzen für Sie haben.“
„Das klingt ja ganz gefährlich!“
„Naja, wenn man so gut mit den Leuten zu reden versteht wie Sie, dann werde ich Sie auf alle unsere schwierigen und unentschlossenen Kunden hetzen.
Denken Sie mal, wenn ich diesem Trödelfritzen in Schweden eine Injektion mit dem neuen Präparat ,Elstö’ geben könnte, wie das anspornend auf seine Beschlußfassungsdrüsen wirken müßte!“
Gerds blasse Lippen verzogen sich zur Andeutung eines Lächelns.
„Welchen Trödelfritzen haben wir denn in Schweden?“
„Einen adligen Trödelfritzen, sozusagen einen Trödelfritzen mit Wappen dran! Wie sie wissen, war mein Sohn dort, um sich die Wälder von Baron Silfverkranz anzusehen. Würde er sich endlich schlüssig werden, was er verlangen soll, so könnten wir dort abschließen. Aber er zögert und bedenkt sich und sendet uns ab und zu einen Brief, in dem er seine Unentschlossenheit in die Watte der Höflichkeit verpackt. Ich wäre wirklich nicht begeistert, käme ein anderer und schnappte uns die Sache vor der Nase weg.“
„Im Ernst, wollen Sie mich wirklich hinschicken, Herr Direktor?“
„Wären Sie denn dazu bereit?“
„Selbstverständlich, aber…“
„Gut, werden sehen. Bringen wir es nicht auf andere Weise fertig, so mache ich mit Ihnen den letzten Versuch. Schauen Sie bitte die Korrespondenz mit
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