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Ein tüchtiges Mädchen

Ein tüchtiges Mädchen

Titel: Ein tüchtiges Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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geschwätzige, blondlockige Freundin Solveigs, zwei Jahre älter als Gerd, ein kleines Mädchen, das plötzlich von der Schule verschwunden war, weil die Familie wegzog.
    „Ja“, sagte Gerd. „Jetzt erinnere ich mich an dich.“
    „Denk mal bloß, wie putzig, daß wir uns wiedertreffen, und dazu noch hier! Wie war denn die Reise? War Helge nett zu dir, und hat er gut auf dich aufgepaßt?“
    „Der Herr Kapitän war sehr liebenswürdig“, antwortete Gerd, und sowohl die Worte wie die Stimme schnitten ihr in die Ohren.
    Der Zweite Offizier kam dazu und verlangte den Kapitän. Helge ging, und die beiden jungen Frauen blieben allein in der Kajüte.
    „Was für ein glücklicher Zufall, daß ein weiblicher Passagier an Bord ist. Da kann ich in der Extrakoje bei dir drin schlafen. Weißt du, ich mußte einfach kommen, ich bringe nämlich die größte Neuigkeit der Welt. Ich traf doch Langedal, Langedal junior, Klasse, sage ich dir! Und er erzählte mir von dem neuen Schiff. Die Ärmsten, sie haben ihre Köpfe zermartert, um einen Namen dafür zu finden – du kennst doch diesen Blödsinn mit dem Alphabet und so weiter? –, und er sagte, wenn es etwas mit E sein solle, so könnten sie es nach mir benennen, denn ich bin Erna Alette getauft, leider Gottes. Wer hätte geahnt, daß ich noch solche Freude daran haben würde, daß Oma Alette hieß! Er umarmte mich beinahe – das darfst du Helge nicht erzählen! –, und er sagte, man könne Erna Alette in Ernette umwandeln, und das ist wirklich kein übler Name. Und denk mal, vielleicht darf ich das Schiff sogar taufen. Das wäre doch was! Stelle dir vor, einen Sechstausendtonner taufen! Mit einem Diamantschmuck von der Reederei und meinem Bild in den Zeitungen! Himmel, ja, ich zerspringe fast vor Stolz! Tatsächlich sagte Langedal, das wäre gar nicht so unmöglich. Das Schiff wird in vier Wochen vom Stapel laufen, also solle ich nur rasch heiraten, weil es besser aussähe, wenn das Schiff von Frau Kapitän Jerven getauft würde als von einem x-beliebigen Fräulein Böe. Verstehst du nun? Und jetzt muß ich also versuchen, diesen meinen Käpten zum Standesamt zu schleppen, und ich konnte deshalb einfach nicht warten: Ich nahm den Zug nach Stavanger und erreichte es also, ich meine, ich erreichte ,Babette’, und jetzt muß ich Helge ein bißchen auf Fahrt bringen. Denk mal, wenn er Käpten auf der Ernette werden könnte! Wäre doch besser, als mit diesem Kahn herumzugondeln – “
    Erna schwatzte und schwatzte und war restlos erfüllt von dieser Schiffstaufe. Dann kam Krauskopf herein und legte ein weiteres Gedeck auf. Gerd stand auf und murmelte etwas von Händewaschen.
    Dann stand sie in ihrer Kabine. Sie stand da, gerade und still. Ihre Augen fingen den kleinen Raum ein, der während einer Woche ihr Heim gewesen war, dieser kleine Raum, in dem sie das größte Glück ihres Daseins erlebt hatte. Und nun merkte sie, wie der Haß in ihr wuchs. Sie haßte die blanken Mahagoniflächen, sie haßte die Kretonnevorhänge, das Waschbecken, die Koje und den Nachttisch.
    Da saß die Katze Dorette und sah sie mit ihren blauen Glasaugen an. Gerd nahm sie und stopfte sie in den Koffer.
    Darum also war Helge so rastlos gewesen. Darum hatte er nichts von sich hören lassen nach der Hamburgtour. Darum hatte er bisher nicht offen mit ihr geredet, darum – darum - Eine andere Situation stand lebendig in Gerds Erinnerung. Eine Begegnung in einer Hotelhalle in Kopenhagen, vor zwei Jahren. Eine junge Dame, die vorgegeben hatte, Trygves Frau zu sein. Eine junge Dame, mit der er im Hotel wohnte.
    Sie war selbst keine Spur besser. Jetzt war sie es, die die Rolle spielte – die Rolle als – als… Gerd ballte die Hände.
    Und das war also Helge! Derselbe Helge, der heute, am gleichen Tag, zu ihr gesagt hatte: „Was ich an dir besonders liebe, ist deine Ehrlichkeit, daß du nicht Komödie spielst.“
    Der Schmerz schnitt wie mit Messern durch Gerds Herz. Zum erstenmal in ihrem Leben wünschte sie sich, sterben zu können. Denn wenn dieses, auch dieses hier Komödienspiel war, dann gab es keine ehrliche Liebe auf der Welt. War das nur so ein kleiner Flirt gewesen, eine Reiseunterhaltung, so hatte Gerd überhaupt nichts mehr, worauf sie bauen konnte. Ihr ganzer Glaube an die Menschen war in Stücke gegangen…
    Sie hörte die Tür der Nachbarkabine gehen. Jetzt brachte Krauskopf ahnungslos das Essen. Jetzt würde Erna schwatzen und erzählen – Ach, warum konnte Gerd nicht allein sein,

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