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Ein tüchtiges Mädchen

Ein tüchtiges Mädchen

Titel: Ein tüchtiges Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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warum fand sich kein Winkel, in dem sie sich verkriechen durfte, verkriechen wie ein krankes Tier, ein wundgeschossener Vogel. Ja, wenn sie doch nur allein sein könnte, allein im Dunkeln, in einer großen, leeren Stille!
    „Hallo, Gerd, wir wollen essen.“
    Es war Erna, die ihr lächelndes Gesicht zur Tür hereinsteckte.
    „Aha, hier wohnen wir also. Mensch, das ist spaßig. Soll ich auf der Folterbank da schlafen? Nur gut, daß ich schlank bin. Und daß gutes Wetterist. Himmel ja, ihr müßt ja schön geschaukelt worden sein in den letzten Tagen. Warst du seekrank?“
    „Nein.“
    „Da hast du Schwein. Ich habe ein einziges Mal einen Sturm auf See erlebt. Wenn ich daran denke, bekomme ich jetzt noch eine Gänsehaut, eine Gänsehaut, an der du Muskatnüsse reiben könntest. Ich lag in einer Koje mit Vorhang, so wie diese hier, und die stand beinahe waagerecht in der Luft. Du bist ja vollkommen plemplem, Erna, sagte ich zu mir selbst. Die Vorhänge hängen schon senkrecht, und du selber bist es, die nicht senkrecht liegt und auch nicht waagerecht, und als ich das raus hatte, kam auch alles andere raus. Nein, die See kann mir gestohlen bleiben. Da lobe ich mir ein Auto und einen reellen festen Weg. Naja, das Essen steht also warm auf dem Tisch und dampft da drinnen – “
    Gerd biß die Zähne zusammen. Nur keinen Skandal machen, keinen Skandal machen, nichts Auffallendes sagen, was Erna zu denken geben könnte!
    O Gott, diese Komödie spielen zu müssen! Am Tisch sitzen zu müssen, nur Passagier zu sein und nichts mehr – und im Inneren zu wissen, daß man betrogen hatte – eine andere Frau betrogen hatte, so bodenlos gemein – wie war das schmutzig, Gerd verabscheute sich selbst.
    Und Helges heiße Worte, Helges brennende Liebkosungen drängten sich hervor in der Erinnerung und vermischten sich mit dem Schamgefühl.
    Ach Gott, hätte sie sich doch nur verstecken können, weit, weit entfernt verstecken! - Hatte sie gesagt, daß „Babette“ ein Paradies sei? Nein, „Babette“ war ein Gefängnis, ein schreckliches Gefängnis, an das sie noch einen Tag lang gefesselt war.
    Ja, einen ganzen Tag mußte sie das noch aushalten. Und nicht einmal in der Nacht durfte sie allein sein! Da würde sie wach in ihrer Koje liegen und das friedliche Schnaufen von Erna hören.
    „Lang doch zu, Gerd. Bist du denn nicht hungrig?“
    Ja, Hunger war das Wort!
    Dann saßen die drei Menschen in Helges Kabine bei Tisch, Gerd aufrecht, beherrscht und blaß. Sie vermied es, Helges Augen zu begegnen, und sie antwortete kurz, aber freundlich auf Ernas Geplauder. Natürlich, man war doch ein gebildeter Mensch, man hatte doch gelernt, sich zu benehmen!
    Wäre Erna nicht so vollkommen mit sich selbst beschäftigt gewesen, mit all dem, was der Reeder Langedal gesagt hatte von dem Schiff, das nach ihr benannt werden sollte, so hätte sie die sonderbare Atmosphäre zwischen den beiden anderen merken müssen. So aber plauderte und erzählte sie pausenlos, und nur einmal, als Helge nur einsilbig antwortete, reagierte sie darauf. Aber sie tat es lächelnd, ohne Mißtrauen.
    „Na, du schweigsamer Mann? Gerd, hast du jemals einen so wenig gesprächigen Menschen getroffen wie diesen Burschen hier?“
    „Sie sind vielleicht eine sogenannte ,verschlossene Natur’, Kapitän Jerven“, sagte Gerd mit derselben höflichen Verbindlichkeit, wie sie sie Myrseths Geschäftspartnern gegenüber anwandte.
    Es war Nacht geworden. Gerd lag in ihrer Koje auf dem Rücken. Drüben auf der anderen Seite der Kabine schlief Erna friedlich und ahnungslos. Wenn sie gewußt hätte – wenn sie geahnt hätte, wie es vor vierundzwanzig Stunden gewesen war…
    Gerds Schmerz war so grenzenlos, daß er sie der Fähigkeit zum Denken beraubte. Nur eins war ihr klar: Sie liebte einen Mann und hatte ihm alles gegeben. Und dieser Mann war mit einer anderen verlobt, mit einer, die er heiraten würde.
    Und seine brennende Liebe war nur eine heiße, plötzliche Flamme, die für ein paar Augenblicke brannte. Das, was für Gerd der tiefste, heiligste Ernst war, war für ihn ein reizendes kleines Intermezzo an ein paar Tagen, an denen er von der Frau getrennt war, die das Recht auf ihn hatte.
    Er hatte heute abend mit ihr sprechen wollen, er hatte gesagt, es sei so viel, was sie ins reine bringen mußten.
    Jetzt war das Gespräch überflüssig. Denn das, was er – bestimmt in schonenden Worten – hätte erzählen wollen, daß er schon verliebt in sie sei, aber eine Ehe könne

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