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Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Titel: Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Chadwick
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Danke, aber nein, danke, ich bin auf der Suche nach jemandem, der, nun ja, mehr ... weniger ... nicht so ... irgendwie ganz anders als Sie ...
    Ich versuchte mir vieles davon zu ersparen, indem ich mich auf den Oboisten konzentrierte, der es offensichtlich schaffte, ausschließlich durch sein Instrument zu atmen. Was mich wieder auf den Zustand brachte, in dem ich mich befand, und als ich auf meine Schenkel hinunterschaute, merkte ich, daß ich kaum mehr als ein Drittel von ihnen sehen konnte, und von dort schaute ich dann an ihrem klaffenden Mantel vorbei und stellte fest, daß auch sie dort unten eine ziemliche Wölbung hatte, bedeckt von einem eng sitzenden Rock, dem Unterteil eines Kostüms, das wahrscheinlich ihr bestes war, glatt und doch irgendwie tweedartig, zusammengesetzt aus zwei leicht unterschiedlichen Schattierungen langweiligen Grüns, wie fein verwobene Grashalme, die langsam braun werden und Regen brauchen. Weiter oben — ich dachte eben wieder an das Foto — konnte ich nichts sehen, ohne auffällig hinzuschauen, erinnerte mich aber an eine hochgeschlossene, weiße Rüschenkaskade, die sich aufplusterte und zu Vermutungen einlud wie diese Stoffbauschungen am Hintern im letzten Jahrhundert oder wann auch immer. Dann konzentrierte ich mich wieder darauf, was ich sagen würde, wenn der Oboist aufhörte, seine Atemübungen durchs Instrument zu machen. So daß ich, als wir aufstanden und sie ihren Mantel zuknöpfte und ich mein Sakko erst zu- und dann wieder aufknöpfte, sagte: »Das war ziemlich gut, aber ich vermute, er hat Stunden genommen. Vor allem bei Albonino. Alter Liebling von mir. Fast ein Wunder, daß er sich bei dem Tempo keine Knoten in Finger und Zunge macht. Nicht schlecht gespielt, wie der Schau...« Wir schoben uns in den Mittelgang. »Wie wär’s mit einer Kleinigkeit zu essen? Pasta, ein netter kleiner Italiener ...«
    »Albinoni«, sagte sie leise, berührte mich am Ärmel und zeigte ein kleines Nicken, bei dem die Augenbrauen hochschossen.
    Ich studierte die Programme bevorstehender Konzerte, murmelte die Namen von ein paar Komponisten und sprach sie nun
bewußt falsch aus — Cuddly, DePussy, Faure Reicha für die Armen  –, und diesmal brachte ich sie zum Lachen, doch es war ein Lachen der Freundlichkeit, die nicht gern verletzt.
    Wir redeten nichts, woran ich mich erinnern kann, bis wir wieder an der Treppe zur Galerie standen, abgesehen von Bemerkungen über das Wetter, wobei wir beide von früheren Erfahrungen ausgingen. Ich schaute zum Himmel, wo die Sonne eben hinter eine Wolke hervorlugte. »Die Sonne versucht mal wieder, durchzukommen. Die Wiederkunft ist längst überfällig, wie der Bisch...« Upps, dachte ich unhörbar, bete zu Gott ...
    Wir saßen einander gegenüber in einer Weinbar, aßen geräucherte Makrele und arbeiteten uns durch eine Karaffe. Sie erzählte mir, sie sei eine leitende Verwaltungsbeamtin in der Registratur einer Regierungsbehörde. Sie habe sich einen Tag Urlaub genommen. Sie wohne in Clapham, allein. Sie habe eine verheiratete Schwester und einen geschiedenen Bruder und vier Nichten und Neffen. Sie möge ihren Job. Sie singe in einem Chor. Sie mache Pauschalreisen, im letzten Jahr auf die Kanaren. »Das paßt«, sagte ich. Was ihr nicht gerade ein Lächeln entlockte, aber eins der gebräuchlichsten Bonmots in Chorkreisen sein dürfte.
    Von ihrem Bruder und ihrer Schwester sehe sie nicht viel. Nicht viel gemeinsam, nicht wirklich. Ihre Eltern lebten noch. Ich revanchierte mich mit einigen Informationen über mich und wünschte mir dabei, ich hätte meine Rennie-Tabletten mitgenommen. Und langsam fing nun an, was Plaskett immer eine »gründliche Bewertung« genannt hatte, was damals bedeutete, ich sollte herausfinden, was für ihn dabei herausspringen könnte. Sie schaute mich ausdauernder an als ich sie, die Augen so weit aufgerissen, daß sie fast erschrocken wirkten, die drallen Lippen eingezogen oder hinter der Serviette versteckt, als könnten sie nicht für das sprechen, worüber man erschrocken sein könnte: nicht viel malvenfarbener Lippenstift, die hohe Stirn kaum gefurcht außer zwischen den Augen, runde Wangen, die bereits etwas hingen, die Haare zu drei Vierteln schwarz, der Rest grau und das Ganze nach hinten gekämmt, unauffällige Ohrläppchen, eine gut geplante Gesichtsfarbe, die aber im Sonnenlicht etwas zu rosa wirkte, ein plötzliches,
aber kurzlebiges Lächeln, und einmal brachte ich sie zum Kichern, was lange, breite

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