Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now
für die Platte kaum einen Blick übrig. Es sind einige von Mozarts Violinsonaten darauf. Sie wirken zu schlicht für große Musik, wie eine dünne Stimme, die etwas Klares und Endgültiges zu sagen versucht. Aber mein uralter Plattenspieler entwickelt einen ganz eigenen Rhythmus, und der Wind ist zu laut, er rüttelt an den Fenstern und läßt die Haustür schlagen. Also schalte ich ihn wieder aus. Wir haben uns die Platte nie gemeinsam angehört. Wieder denke ich an die Fischer und ihre Frauen und Kinder, die nicht schlafen können, wie ich, aber vor Angst, die ich ebensowenig ermessen kann wie die Tiefen ihres Glücks, wenn die Schiffe am Morgen zurückkommen, das aufschäumende, sonnenhelle Wasser hinter sich.
Ich schaue mir noch einmal meine erste Beschreibung von ihr an, und sie entspricht ganz und gar nicht dem, woran ich mich jetzt erinnere, da es vorbei ist und sie ist, was aus ihr geworden ist. Diese erste Schüchternheit, das kurze Schließen der Augen, wenn sie sich mir zuwandte, das Flattern der Lider und dann das augenblickskurze, beherzte Aufreißen, bevor sie sich wieder abwandte. Das Lächeln schnell und vorsichtig, als ob sie sich fragte, ob sie wirklich das tun sollte, anstatt die Stirn zu runzeln. Wie dann ihr Gesicht weich wurde und die Fältchen verschwammen. Die Lippen zu groß für ihre dünne Stimme, das Stückchen Makrele seitlich davon, das sie immer verfehlte, wenn sie die Lippen mit der Serviette betupfte. Der Schwung und die raffinierte Befestigung ihrer Haare, die wenigen, dünnen, symmetrischen Locken an der Stirn, für die sie sicher Stunden gebraucht hatte. Ihre langen Hände fest umeinandergeklammert, so daß die Knochen hervortraten.
Bin müde jetzt, zu müde, um ins Bett zu gehen. Ich denke noch einmal an die Fischer, die sich verbissen ans Leben klammern, während der Wind immer lauter heult. Ich denke an die Fische, die in den Laderäumen schwappen, und an das kleine Stück von einem von ihnen an Maureens Mundwinkel. Wir werden nie gemeinsam Mozart hören, oder auch Albonini. Ich wünsche mir, sie wäre hier, aber wenn sie es wäre, würde ich mir wünschen, sie wäre es nicht. Die Frauen und die Kinder stehen am Kai. Der Morgen bricht an, und es ist Stille, aber keine Sonne. In der Ferne tauchen die Boote auf, schwarz wie Silhouetten. Die Möwen sind verschwunden. Bei meinem Sonnenaufgang stoßen die Schiffe durch die Nacht ohne Glitzern oder Schattenwurf, und das Wasser um sie herum ist bewegungslos. Die Schiffe sind gezählt und die Frauen und Kinder nach Hause gegangen. Wenn ich aufwache, werde ich mich immer noch fragen, was der Bauunternehmer wohl verlangen würde, um die Fenster und Türen zu reparieren, damit sie nicht mehr klappern, Doppelverglasung zu installieren und all die anderen Dinge, die getan werden müssen für Virginias paar Tau. Jetzt zu Bett in diesem sicheren Haus.
Noch ein Intermezzo.
Zeit ist vergangen, und es ist jetzt Frühsommer. Die Bäume tragen üppiges Laub, das der Wind weiß und silbrig färbt. Die Kühe auf den Weiden stehen weiter auseinander, und das Pferd ist dort, wo es immer war. Die wenigen Wolken sind zart und weit verstreut und ohne ersichtlichen Sinn, wie meine Gedanken, aber zu weit oben und auch nicht grau und bewegt genug. Ich habe ein wenig im Garten gearbeitet, habe den zweiten Satz Ableger gepflanzt, den Agnes mir geschenkt hatte, wobei sie sich taktvoll nicht nach dem ersten erkundigte, allerdings intensiv danach Ausschau hielt. Sie empfahl Pflanzerde, oder war es Torf, und nicht zuviel Sonne, oder war es nicht zu wenig? Wie auch immer, der Garten sieht eigentlich gar nicht so schlecht aus. Die Rosen tragen schöne Knospen, und Sachen, die Nanny Phipps gepflanzt haben könnte, entwickeln sich sehr gut: Ich erkenne Geißblatt, einen kleinen Apfelbaum, der dann später seine Früchte abwerfen wird,
wenn sie gerade so groß sind wie Erbsen, zwei kleine Rhododendren mit nackten Ästen, deren drei Blüten über Nacht aufgingen und wieder verwelkten, und am Zaun ein Gewirr aus Purpurwinden vermischt mit Clematis, die sich nicht so entwickelt hat, wie sie sollte, weil ich bei dem Versuch, sie auszudünnen, einige, wenn nicht alle Zweige abschnitt oder – brach, die sich bei späterer Betrachtung als die vielversprechendsten erwiesen. Ich habe zwei oder drei bis jetzt noch undefinierbare Sträucher gepflanzt, die ich wahllos im Gartencenter gekauft hatte. Dazwischen ist ein Rasen mit mehr Gras darin (wenn man die
Weitere Kostenlose Bücher