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Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Titel: Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Chadwick
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Abschied winken, ein Hauch von Wärme in der Luft am Ende des Winters, ein Fleckchen Sonnenlicht auf einer dunklen, ungetünchten Mauer, ein Vogel, der lange vor Tagesanbruch alleine singt – damit oder mit ähnlichen Dingen anstelle des Schuldbewußtseins, des mißlungenen Witzes, der Gedankenlosigkeit, des Selbstmitleids, der Angst vor dem Sterben in den frühen Morgenstunden, wenn die Sonne eines Tages ohne dich aufgeht und andere Hände deine zerdrückten Laken glätten. Augenblicke wie dieser, hoch erhobene, winkende Hände, tauchen wie aus dem Nichts auf und verschwinden wieder. Und so kam es, daß ich noch eine Tasse Kaffee trank, mir dann einen Rechen nahm und in den Garten ging, ohne zu wissen, was dort getan werden mußte. Und die Luft war wieder schal und gewöhnlich. Nein, das eignet sich auch nicht als Abschluß: ein Kerl, der an einem schönen Vormittag in Suffolk mit einem Werkzeug in der Hand in den Garten geht und nicht die geringste Ahnung hat, was er damit tun soll. Ich werde es irgendwo in der Mitte verstecken, wo es nicht sonderlich auffällt. Noch ist viel zuviel an Auflösung zu leisten.

     
    Tags darauf ging ich in den Dorfladen, um Konserven zu kaufen, und erfuhr dabei ein wenig mehr über Nanny Phipps. An der Kasse nörgelte Mrs. Jenners eben an einem Preis herum. Nachdem sie mich mit einem Seufzen begrüßt hatte, blieb sie an der Tür stehen, betastete Orangen in einer Kiste in der Auslage und lauschte unserem Gespräch.
    »Einige Leute, das kann ich Ihnen sagen«, bemerkte die Ladenbesitzerin laut. »Und, lebt man sich langsam ein?«
    »Soweit ich weiß, schon«, sagte ich und knallte meine Dosen mit Corned beef und Spargelspitzen auf die Theke.
    »Miss Phipps hatten wir ja fast jeden Tag hier. Nicht gerade ’ne Quasseltante, die alte Phipps. Hatte persönlich ja nichts gegen sie ...«
    Ich wollte wissen, ob sie in meinem Häuschen gestorben war. »Wie lange hat sie hier gelebt?«
    »Als ich hierherkam, war sie bereits da. Würde sie nicht gerade eine unstete Seele nennen.«
    »Wie würden Sie sie denn nennen?«
    »Der Postbote sagte, sie sei ein Kindermädchen gewesen. Und das sind so Sachen, die ein Postbote eben weiß, nicht?«
    »Sie meinen, ein bißchen von oben herab?« fragte ich, gab ihr mein Geld und dachte dabei, daß Mrs. Jenners gar nicht so unrecht hatte, eigentlich sogar ziemlich recht. Hinter mir hörte ich ein Bimmeln, dann einen Knall und ein Klicken.
    »Nicht wie diese Mrs. Thatcher. Eher, als hätte man sie das ganze Leben nur ausgenutzt, und außerdem war sie auch noch zaundürr.«
    »Sie ist doch nicht etwa hier gestorben oder so?«
    Sie verschränkte die Arme und beugte sich über die Theke vor. »Bei so was gibt’s kein >oder so<, meinen Sie nicht auch?« Sie streckte den Zeigefinger aus, um mir aufs Handgelenk zu tippen, überlegte es sich dann anders und ließ etwas wie Ffflsch hören, wobei sie die oberen Zähne mit der Unterlippe bedeckte und oben das Zahnfleisch zeigte. »Ich sag Ihnen jetzt mal was. Nur Haut und Knochen war sie, Miss Phipps, kein Gramm Fett an ihr, ganz im Gegensatz zu einigen anderen, die ich Ihnen nennen könnte.«
Ihr Busen sank auf die Theke, als sie nach etwas darunter griff. »Vor allem im Winter, da braucht man ein bißchen Fleisch an sich, Fett ...« Worauf sie sich, die Arme vor der Brust verschränkt, in die nackten Oberarme kniff. »Im Winter haben ihr immer die Augen getränt, als müßte sie dauernd weinen, als hätte sie Probleme, aber das Wasser konnte ja sonst nirgendwohin, nicht? Es heißt ja, wir bestehen fast nur aus Wasser. Sie schniefte auch viel, also wußte man nie so recht, verstehen Sie?«
    »Und was ist aus ihr geworden?«
    »Na ja, alt geworden ist sie halt, nicht? Ist das alles? Ich habe tiefgefrorene Koteletts hereinbekommen. Eines Tages kam ein Auto sie abholen, eins von diesen großen, glänzend schwarzen, und dann stand das Haus zum Verkauf.«
    Ich dankte ihr. »Dann ist sie also einfach weggezogen?«
    »Mitten im Winter. Kurz vor Weihnachten. Nein, kurz danach. Um die Zeit herum auf jeden Fall. Und dann war es, als wäre sie nie hiergewesen, außer daß man sich in ihrer Gegenwart immer irgendwie wärmer gefühlt hat. Ich weiß nicht, warum sie sich das angetan hat.«
    »Was angetan?«
    »Na ja, ich sag’s nicht gerne. Warum sie es sich angetan hat hierzubleiben. Aber sie war nicht von oben herab, ganz und gar nicht, eher zurückhaltend, fast so, als würde sie gar nichts von sich halten, das kann ich

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