Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Titel: Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Chadwick
Vom Netzwerk:
Ordnung zu sein, aber bei ihm ist das ja immer schwer zu sagen. Was meinst du, gibt es irgendeine spezielle Art, wie ich mit ihm umgehen sollte?«
    »Na ja, er ist ein Fall, nicht ... ? Um es mal so zu sagen, ich bin mir nicht sicher, ob ich den Bereich Handel und Wirtschaft ausgesucht hätte. Könnte es vielleicht sein, daß das zu weit von seinen wirklichen Neigungen entfernt ist? Bis zu welchem Grad, das sagen wir ihm immer, traut er sich selbst?«
    »Ich sehe das Problem, für jemanden, der jemandem auf der Spur ist, der gerade die Bücher fälscht.«
    »Das ist nicht ganz das, was ich meine. Wir, Bradley und ich, versuchen ihm zu sagen, daß er, relativ gesprochen, optimale Grundvoraussetzungen hat und, insoweit das zutrifft, der Selbstzweifel, wie sollen wir das sagen, zu bereitwillig trivialisiert wird. Wir versuchen wirklich, ihn aus der Reserve zu locken. Wir versuchen ihm klarzumachen, daß die Webb-Episode oder, genauer, dieser allgemeine Bezugsrahmen im Gesamtmaßstab eine obsessive Geringfügigkeit besitzt. Im Extremfall wird aus so was terminaler Individualismus.«
    »Ach, wenn das alles ist.«
    »Dir ist natürlich bewußt, daß er vielleicht homosexuell sein könnte?« Es gab eine Pause, am anderen Ende war ein Wortwechsel
zu hören. »Um es vereinfacht zu sagen, wichtig ist, wie wichtig diese Sache ist, das verstehst du doch, oder?«
    »Na ja, schon, aber es könnte ihm sehr wichtig sein, falls es ihm lieber wäre, wenn man ihn mit dieser ganzen Sch... Geschichte in Ruhe lassen würde.«
    »Aber geht’s denn nicht genau darum? Du weißt, worum es geht, nicht?«
    Die Wellen schlugen über mir zusammen, als ich mir Adrian dort oben vorstellte, hilflos treibend auf den Tiefen ihrer ruhigen, unverständlichen Vernunft. Und was hatte ich ihm statt dessen zu bieten? Wenn du schon ans andere Ufer willst, freu dich wenigstens übers Schwimmen. Ist jedem seine Sache, wie er sein Rohr verlegt. Bemühte Witzchen, die keinem was bringen. Zeit, diese Unterhaltung zu beenden.
    »Wie auch immer, ich bin mir sicher, daß ihr beide das schon richtig macht. Solange ihr ihm dabei nur nicht beide Beine brecht.«
    Sie verstand das als Anspielung darauf, daß bei Virginia seit dem Unfall ein Bein kürzer war. Die andere Stimme kam näher, ich hörte etwas, das klang wie »elterliches Ungleichgewicht«.
    »Sei doch nicht so verbittert, Tom, das paßt nicht zu dir.« Eine Pause, in der sie auf meine Antwort wartete. »Bist du noch dran?«
    »Sicher. Ich habe mich nur gefragt, ob ... ich habe doch nur gemeint, daß er mal auf eigenen Beinen ... Ihr seid die Profis. Ihr seid nicht abgeneigt ... Ach, vergiß es.«
    »Genau das ist es, Tom, das Gleichgewicht zwischen Direktheit und Vorsicht. Brad und ich unterstützen ihn, wo wir nur können. Weißt du, wenn es jemandem an Selbstdefinition mangelt, weil sein, wie wir das inzwischen nennen, eigenes Persönlichkeitsmodell ungelöst ist und das elterliche Rollenmodell oder, genauer, die Modelle verschieden und alles andere als komplementär sind, wenn zum Beispiel gemeinsame Grundannahmen nicht ausdiskutiert werden, wenn die Grenze zwischen elterlicher Verantwortung und staatlicher Veran... Bist du noch dran?« Im Hintergrund war wieder Murmeln zu hören. Diesmal schwieg ich etwas länger. »Bist du noch dran, Tom?«

    »Ups, tut mir leid«, sagte ich. »Die Milch war gerade am Überkochen. Wo waren wir gleich wieder? Ach ja, das. Hast natürlich völlig recht. Ich bin mir sicher, er schafft das schon alles, solange man ihn nur, zumindest theoretisch, mit der Theorie verschont.« Ich hörte im Hintergrund etwas, das vermutlich gleich zu einer weiteren Unterbrechung führen würde. »Wie auch immer, mach’s gut, und immer am Ball bleiben. Grüße an Brad.«
    »Tschüs, Tom. Ich glaube, im großen und ganzen sind wir mehr oder weniger einer Meinung ...«
    Ich legte auf, saß dann, den Kopf in den Händen, lange Zeit einfach nur da und wünschte mir, nicht ich wäre der Ansprechpartner gewesen, als Adrian vor so vielen Jahren in Webbs Garage seine erste Erfahrung mit der Lust gemacht hatte. Meine Frau hatte es sich zur Aufgabe gemacht, die Menschen glücklicher zu machen, und hatte sicher auch oft Erfolg dabei, sehr oft sogar. Und dazu gehörte, daß man viel glaubte und viel verstand, während diejenigen von uns, die nichts glauben und wenig verstehen, meistens dazu neigen, nichts zu erreichen. Gut. Ich wollte nur nicht, daß mein Sohn irgendein »Fall« ist, das ist alles.

Weitere Kostenlose Bücher