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Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Titel: Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Chadwick
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wie sie in den Farbbeilagen angepriesen werden, purpurn und mattgolden gestreifte Vorhänge und an den Wänden drei Bilder. Das erste, das über dem verkleideten Kamin hing, zeigte ein Dorf in einem Tal und wirkte leicht verschwommen; vielleicht war es nur eine vergrößerte Fotografie. Das zweite zeigte einen Jungen mit langen blonden Haaren in grüner Bundhose,
zu den Füßen einen großäugigen, schlappohrigen Hund, das Ganze vor dem nur angedeuteten Hintergrund eines dichten Waldstücks. Das dritte stellte eine langhaarige, weiße Ziege dar, die im Schlamm eines Seeufers feststeckte und so aussah, als würde sie gleich den Geist aufgeben und ihre Knochen den anderen bereits herumliegenden hinzufügen — doch auch dieses Bild hätte ein Foto sein können, und dann hätte für das Tier vielleicht noch Hoffnung bestanden.
    Sie rief von der Küche herüber: »Es gibt Lamm. Sie sind doch kein Vegetarier, oder?«
    »O Gott, nein. Man setzt zwar sein Leben aufs Spiel, ich weiß, aber was für ein Leben ist das denn ohne fleischliche Genüsse.«
    »Nehmen Sie sich noch einen Sherry.«
    Ich tat es und schaute mir die Platten genauer an.
    »Keine schlechte Plattensammlung«, rief ich, obwohl sie jetzt direkt hinter mir war und den Tisch deckte.
    Keine Kerzen. Auch keine Weingläser. Aber plötzlich stand eine Vase mit sechs Rosen da, die eigentlich ich hätte mitbringen sollen, und das Tischtuch bestand aus Spitze oder hatte zumindest diese raffiniert durchbrochene Durchsichtigkeit.
    »Die brauche ich, damit ich nicht wahnsinnig werde«, sagte sie.
    »Ich bin ein schrecklicher Banause auf diesem Gebiet, wie Sie ja bereits bemerkt haben«, erwiderte ich und zog willkürlich eine heraus. Auf der Hülle war das Gesicht von Kathleen Ferrier zu sehen.
    »Von ihr habe ich schon mal gehört«, sagte ich. »Mein Vater hatte ein gräßliches, altes Grammophon und nur ganz wenige Platten, aber zwei davon waren von ihr. Er spielte sie oft und versank dabei beinahe in Trance. >Dein Vater und sein Knisterding<, sagte meine Mutter dann immer. Ich glaube nicht, daß er so richtig der Musik zuhörte — Mutter hatte in der Hinsicht recht –, sonder eher, daß sie ihn an irgend etwas erinnerte.« Inzwischen redete ich mit mir selber, denn sie war bereits wieder in der Küche.
    Das Essen war sehr ordentlich, richtige Servierteller für das Gemüse und eine dazu passenden Sauciere für den Bratensaft,
mit Minzsauce und gebackenen Kartoffeln. Sie erzählte mir von ihrem Chor, daß sie zu den Gründungsmitgliedern gehöre, und dann tupfte sie sich die Lippen und sagte: »Das Dessert müssen wir uns leider für danach aufheben. Mögen Sie Mousse? Mousse ist meine Stärke.«
    »Aber doch nicht zufällig Mousse au chocolat?« fragte ich. »Das würde ich sogar in meinem Alter noch essen.«
    Sie senkte den Kopf, um zu sehen, was ihre Gabel mit den letzten drei oder vier Erbsen machte, vielleicht überlegte sie auch, was nach der Nachspeise gestattet oder nicht gestattet sein könnte. Aber nein. Ohne mich anzusehen, sagte sie leise: »Es half mir, meine Ehe zu überwinden.«
    »Mal richtig mit dem Schneebesen durch, meinen Sie ... Werd dich schon aufmischen, du Mistkerl.«
    »Der Chor. Er hatte für Kultur nichts übrig. Er dachte, ich maße mir da was an.«
    »Verstehe. In Höhen steigen, wo dann die Luft zu dünn zum Singen ist.«
    Noch immer nicht der Anflug eines Lächelns, und kein Wunder. »Er dachte, ich schaue auf ihn herab. Ein besonders großer Mann war er ja nicht. Ich sage es zwar nicht gern, aber er war auch nicht sehr gebildet, immer nur Bier mit den Jungs, West Harn United, den ganzen Abend lang Schwachsinn im Fernsehen. Und wenn dann wirklich einmal eine Oper oder ein Konzert kam, was ich mir anschauen wollte, nannte er mich Kulturhyäne und Kunsttussi.«
    »Nicht gerade viel Gemeinsamkeiten, wenn man’s genau nimmt.«
    »Manchmal ist er richtig ausfallend geworden. Ich hatte eine Fehlgeburt und konnte danach keine Kinder mehr kriegen. Zur selben Zeit verlor er seinen Job, und sein großer Witz war, daß er sich einen neuen suchen könnte als Ausputzer von Aborten. Ich war damals noch sehr jung. Ich haßte ihn, und seitdem habe ich meinen Ehenamen nie mehr benutzt, kein einziges Mal mehr.«
    Ihre Stimme war jetzt sehr leise, und ich sah an ihrem Hals eine leichte Röte aufsteigen. Nach all diesen Jahren meiner Ehe mit einer gutinformierten Frau fiel mir nichts Besseres ein, als
zu sagen: »Wenn Leute sich minderwertig vorkommen

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