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Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Titel: Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Chadwick
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Ich war meiner Frau gegenüber nicht fair, das weiß ich, ich habe den Jargon nicht richtig hingekriegt und die Begriffe verwirrt, obwohl sie auch unverworren mich noch immer ganz schön verwirrten. Der verdammte Brad im Hintergrund machte die Sache auch nicht gerade besser. Der Gedanke, daß er sich über meinen Sohn ausließ und ihm das Ganze auch noch ins Gesicht sagte, war der Grund, warum ich so lange den Kopf in den Händen und die Augen geschlossen hielt.
    Und da ist ja auch noch AIDS. Ich sehe das blasse, melancholische, vom Schicksal gezeichnete Gesicht meines Sohnes auf jenen mit der Krankheit, die im Fernsehen interviewt werden. Dann merke ich, daß ich Homosexualität verabscheue, einfach wegen des Risikos, das er eingeht, wenn er so wird wie sie. Falls er je so sterben sollte, glaube ich nicht, daß ich ihn sehr lange überleben möchte. Und falls es soweit kommen sollte, wie enorm viel hilfreicher wäre seine Mutter für ihn, da sie ihm so viel zu sagen hätte, während ich nichts hätte, absolut nichts.

KAPITEL SECHS
    I ch war eine halbe Stunde zu früh bei Maureens Wohnung, nachdem ich mir zuvor in der Nähe von King’s Cross ein Hotelzimmer gebucht hatte: Hier stellte man keine Fragen. Ein Paar schrieb sich gerade ein, und die Frau kicherte, weil der Mann Mr. und Mrs. Roger geschrieben hatte. Er sah gar nicht so phantasiebegabt aus und war mir auch sonst viel zu ähnlich, mit seinem Hang zur Kräftigkeit außer bei den Haaren, ein Mann, der sich auf ein kleines Stück Zukunft freute, bevor er endgültig zu alt dafür war, war doch schon jetzt seine Ungeduld von Reue getönt. Auf dem Weg zum Lift drehte sie sich zu mir um und zupfte an ihrem schwarzen Seidenkleid, wo der Zwickel ihres Slips hervorlugte, so daß ich mir nicht sicher war, was zuerst dort war, mein Blick oder ihr Zeigefinger. Sie zwinkerte, eine Berufskrankheit, was bei mir den Wunsch aufkeimen ließ, sie müsse sich nicht mit meinesgleichen herumschlagen, bis diese Lider, trocken vor Abscheu und allem anderen, sich endgültig schlossen ... O Gott, je eher ich Maureen sah, desto besser. Und wenn auch nur, um zu entdecken, daß ich auch noch eine andere Seite hatte.
    Ich schlenderte durch die Straßen in der Umgebung des Hauses, in dem ihre Wohnung lag, und stellte mir ihr Leben hier vor: einige unerfüllte Bäume, Mülltonnen mit den Deckeln daneben, Leute, die von der Arbeit nach Hause eilten, Kinder auf den Straßen wie gelangweilte Gladiatoren, die wollten, daß der Verkehr sich mehr Mühe gab, sie umzufahren. In der Luft lag ein Gestank nach Zementstaub und aufgewärmtem Eintopf, der bereits zu lange im Rohr stand. Die Häuser sahen irgendwie zersplittert aus, die wenigen Farbflecken hier und dort wie verzweifelte Versuche,
das Auseinanderfallen zu verhindern. Das war Maureens Welt, die sie vornehm jeden Morgen betrat, ohne sie eines zweiten Blicks zu würdigen.
    Sie wohnte im zweitobersten Stock, und als ich auf den Knopf der Gegensprechanlage drückte, teilte sich ein kleines Stück rechts von mir ein Vorhang, und ein Kind streckte mir die Zunge heraus. Der Türöffner summte, und ich ging nach oben, ohne Eile, aber dennoch außer Atem, als sie die Wohnungstür öffnete und mich für einen Schmatz auf die Wange an sich zog. Sie trug ein langes, glänzend blaues Kleid mit einer lavendelfarbenen Schärpe an der Taille und einem so großzügigen Dekollete, daß ich sehen konnte, wie und wie weit ihre Brüste hingen. Ihre Haare waren straff nach hinten gekämmt und nach oben aufgetürmt in einem Knoten von erstaunlicher Komplexität.
    »Wir haben noch eine gute Stunde Zeit«, sagte sie. »Bei solchen Anlässen genehmige ich mir immer ein Taxi.«
    »Sie sehen großartig aus«, sagte ich. »Und, bei guter Stimme heute abend?«
    Anstelle einer Antwort drückte sie die Hände an den Bauch und ließ eine absteigende Tonfolge hören, und ich hatte dabei einen guten Blick in die Tiefen, aus denen diese Töne kamen. Dann goß sie mir einen Sherry ein und ging in die Küche, und der Schwung ihres raschelnden Kleides erzeugte bei mir die umfangreichsten Ahnungen.
    Aus einem versteckten Lautsprecher kam leise Chormusik. Das Wohnzimmer war sehr gemütlich: zwei Reihen Schallplatten und drei Ständer mit Kassetten, ein Sitzgruppe aus Sofa und Lehnsessel in einheitlichem Wiesenblumendekor, ein Sekretär mit geschlossener Abdeckung, zwei weitere Sessel, die frisch mit dunkelrotem Samt bezogen waren, eine Serie nagelneu aussehender Bücher der Art,

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