Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now
dehnte sich in den Abend aus. Wir machten einen Spaziergang entlang des Bowlingplatzes und quer über die Ecke einer Weide, wo die Landschaft sich vor uns ausbreitete. Ein Pferd kam, immer wieder schnaubend, auf uns zu. Maureen wich zurück, rief »Husch« und versuchte, es mit ihrem Taschentuch zu verscheuchen. Es blieb stehen, schaute sich um, als erwarte es Verstärkung, und trabte dann in die entgegengesetzte Richtung davon. Es war alt, vielleicht war es früher ein
Rennpferd gewesen und wollte sich nun noch einmal einer jubelnden Menge präsentieren. Ich hatte ihm kurz ins Auge gesehen, es lag Enttäuschung darin, daß wir nicht jemand anders waren. Es gab kaum Wind. Der Himmel wirkte flach, das Blaue weißlich, als hätten die Wolken es aufgesaugt. Und plötzlich brach die Sonne durch eine schwarze Wolkenbank knapp über dem Horizont und tauchte die Brauns und Grüns in Silber und Gold. Maureen atmete tief durch, breitete die Arme aus und schloß die Augen.
»Das ist so wunderschön, so frisch«, sagte sie. »Ich könnte für immer hierbleiben.«
Und sie hatte recht. Es war einer dieser Augenblicke, da man sich keinen Ort vorstellen kann, wo man lieber sein möchte. Komm wieder runter, Ripple, sagte ich mir, das ist nur ein kurzer Augenblick makellosen Wetters, und die Sonne ist bald verschwunden. Ich legte den Arm um sie, und sie kuschelte sich an mich. Na ja, nicht wirklich, da sie bereits sehr dicht bei mir stand, aber so schreibt man eben, wenn es um Frauen und Sonnenuntergänge geht. Sie legte den Kopf auf meine Schulter und machte: »Mmmmh.«
»Ich laufe nur schnell und hole das Zelt.«
Dann schlang sie ihren Arm um mich, und für diese wenigen Minuten stand die Sonne still. Eine Vielzahl von Vögeln sang aufgeregt überall um uns herum, und einer hoch oben in der Mitte hätte eine Lerche sein können. Die Welt war wundervoll angerichtet wie ein Bankett aus all den ruhigen Farben und Lichtschattierungen, während die Sonne allmählich wieder hinter Wolken verschwand. Und wir sagten nichts, als könnte jedes Wort nur weniger als wahr sein.
Auf dem Rückweg kamen wir an Sidneys Haus vorbei. Er stand mit einem anderen Mann und einer Frau im Garten und winkte uns. Und als Maureen kurz stehenblieb, um an einer Rose zu schnuppern, schlenderte er zu uns, um sie in Augenschein zu nehmen. Ich stellte sie einander vor, und er suchte nach Ähnlichkeiten zwischen uns.
»Mal nachschauen, was der große Bruder so treibt, was?
Warum kommen Sie nicht auf ein Gläschen rein?« Er war noch nicht stockbetrunken, aber an der Art, wie er die Augen aufriß und zusammenkniff, merkte man, daß er ein weit fortgeschrittenes Fokussierungsproblem hatte. Da ihm offensichtlich eins noch nicht genügte, fügte er hinzu: »Also, isch k’nn keiine Ähnlischkeit arkännen.«
»Danke, aber heut lieber nicht ...«, erwiderte ich und wandte mich bereits zum Gehen.
Maureen blieb, wo sie war, und klappte das Revers ihrer Jacke am Hals zusammen, als er sie von unten bis oben musterte. Er hätte ebensogut sein Maßband herausziehen und bei ihr für einen engsitzenden Hosenanzug Maß nehmen können. Sie war wie gelähmt.
»Kommensche morgen nachenn Drinksch aufenne Kirche zu den Jennersch?« fragte er und nahm an ihrer linken Brustwarze Maß. Maureen wandte sich mir zu, und ich ging noch drei Schritte weiter.
»Komm weiter«, sagte ich. »Sonst sind wir ...«
Sidney deutete mit schwankendem Whiskyglas auf sein Haus. »Scho kann man’s aushalten, was? Komm-kommense doch rein, nur ein schschnelles ...« Er streckte den Bauch raus und schwankte einen Schritt zurück, verschüttete dabei noch mehr Whisky, nahm dann aber wieder Haltung an, drückte sich die Ellbogen in die Seiten und ließ ein Rülpsen hören. »So ist’s besser«, sagte er.
Endlich kam nun Maureen hinter mir her, mit einer Verachtung im Gesicht, die ich zu fürchten lernen könnte.
»Danke, Sidney ...«, setzte ich an.
Er folgte uns am Zaun entlang. »Ihr Bruder, Freund, egal, schollte mir dankbar sein für seine bijou -Reschidenz, hat er Ihnen das gesagt? Bijou frantschöschisch für Juwel. Bidet kann man aber nich übersetzen, oder? Scho’ mal überlegt, pourquoi? Extraordinaire, promenade an einer Sommer- soirée , le Whisky und soda, entrees als Eintrissgeld ...«
Das nun folgende, leicht vorgebeugte Glucksen brachte ihn aus dem Gleichgewicht, doch dann nahm er wieder Haltung an und
versuchte, die Hacken zusammenzuschlagen, aber seine Füße waren zu
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