Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now
Ihnen denn nicht kalt?« fragte ich, obwohl ihr Gesicht und
ihre Arme rosig waren, als hätte sie zu lange in der Sonne gelegen.
Sie schaute mich unleidlich an. »Jeder kann irgend etwas tun, und wenn schon nicht gut, dann wenigstens so, daß man beim Arbeiten nicht unglücklich ist.«
»Ich dachte immer, Glück hat etwas mit Erwartung zu tun. Oder ist das vielleicht eine andere Art?«
»Aha!« erwiderte sie. »Der triste Dachboden der Erfüllung. Das führt nur noch mehr in die Irre.«
»Ach ja?« Ich grinste sie verwirrt an. »Darüber sollte ich vielleicht einmal nachdenken, nicht?«
Sie streckte mir die Hand hin, und mit Erleichterung sah ich, daß sich auf ihrem Oberarm eine Gänsehaut bildete. »Kommen Sie wieder, wann immer Sie wollen. Sie sind uns jederzeit willkommen. Sehr willkommen sogar. Schön, daß Sie sich die Mühe gemacht haben.«
Ganz offensichtlich meinte sie jedes Wort ernst, und ich dankte ihr. »Das ist besser«, sagte ich, als sie sich das Nachthemd bis zum Hals zuknöpfte. »Weil wir gerade dabei sind: Meine Schwester kommt demnächst zu Besuch. Ob ich sie vielleicht einmal mitbringen könnte?«
»Natürlich«, sagte sie mit einem letzten, feisten Lächeln und watschelte zurück zum Haus.
Auf dem Rückweg stellte ich mir Maureen dort vor, wie sie sich in irgendeinem eleganten Kostüm einen Weg durch all den Unrat bahnte. Das stand völlig außer Frage. Ich machte mir eine Tasse Tee und schaute mir das Gästezimmer noch einmal an, das jetzt schon fast bereit war für sie: der Tanz des Sonnenlichts, das auf den Zuckerbäckerfarben verblaßte, der Geruch nach frischer Farbe und feuchtem Holz, das Aroma des Lufterfrischers zu schwer für die frische Brise, die durchs Fenster wehte. Das Zimmer glänzte glatt und rein, verlockend und trügerisch. Ich stand da und sah, wie die dünnen Stores im Wind wehten, und dachte an die Segel von Galeonen, die sich auf hoher See blähten.
KAPITEL SIEBEN
A m Tag vor Maureens Ankunft besuchte ich den Colonel, um ihm einen Sack Dünger zurückzubringen, den seine Frau mir geliehen hatte. Sie war für ein paar Tage nicht da, und er begrüßte mich an der Tür mit einer dicken Zigarre in der einen Hand und mit der anderen den Rauch wegwedelnd. Er brachte mir mit zitternder Hand eine Tasse Kaffee, und ich sagte ihm, daß meine Schwester zu Besuch komme.
»Das ist gut. Bringen Sie sie mal vorbei. Sollte eigentlich im Bett sein, habe aber noch einiges zu tun, bevor das alte Mädchen zurückkommt. Sie kommt gern heim in ein Haus voller Blumen. Sie haben nicht zufällig ein paar Sträuße herumliegen, hm?«
»Ich könnte problemlos runter ins Gartencenter fahren ...«
»Kommt nicht in Frage. Kann mir gar nicht vorstellen, was sie bei diesen Ausflügen so alles treibt. Na ja, ist ja auch ganz okay, wenn ... wenn was? Mrs. Jenners ist diejenige, die mir wirklich leid tut. Haben mich vor ein paar Tagen zum Abendessen eingeladen. War natürlich nett von ihnen.« Er ging in den Garten und warf seine Zigarre mit einer langsamen, schiebenden Bewegung weg. Dann kam er zurück, schaute in meine Kaffeetasse und sagte: »Mehr? Nein. Wo war ich?«
»Bei den Ausflügen Ihrer Frau.«
»Sie hat noch jede Menge Leben in sich, das kann ich Ihnen sagen. Eine ganze verdammte Menge mehr als ich. Wo war ich? Nein, das war es nicht! Jenners, von seinem Buch über das Dorf, seine kleine Monographie, wie er das nennt, direkt zur Abrüstung, ohne Pause. Als wäre das alles mein Fehler. Aber hören Sie zu, jetzt kommt’s, er ertappte seine Alte beim Gähnen und meinte,
das sei doch das ganze Problem, die großmächtige, britische Öffentlichkeit ist so gelangweilt, daß es ihnen ihre insularen kleinen Schädel sprengt. Und sie saß einfach da, die arme, alte Seele. Wenn Agnes dagewesen wäre, das kann ich Ihnen sagen. Sie sagt, was sie denkt, und was sie tut, geht nur sie was an.«
Er hustete wieder und schlug sich auf die Brust. »Noch einen Kaffee?« brachte er schließlich heraus. »Oder was Stärkeres?«
»Tut mir leid«, sagte ich. »Ich halte Sie nur auf. Kann ich Ihnen vielleicht irgendwas besorgen?«
»Sehr anständig von Ihnen, Tom. Sie haben recht, ich sollte mich jetzt besser ein bißchen aufs Ohr legen. Sie finden ja selber raus, nicht?«
»Eher raus als rein, zumindest bei manchen Dingen«, erwiderte ich und schaute auf meinen Bauch, während er winkte und zur Treppe ging.
Nach drei Stufen blieb er nachdenklich stehen und stieß ein paar Keuchlaute aus, bevor er
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