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Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Titel: Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Chadwick
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weit auseinander, und er knickte in den Knien ein. Seine schuppige Gesichtshaut triefte wie mit einer Schicht Öl bestrichen. Ich schaute hinüber zu seinen Gästen, die miteinander tuschelten. Die Frau schaute auf ihre Uhr, und beide standen auf. Sidney drehte sich um, stolperte auf sie zu und schwenkte dabei seinen Drink im Kreis.
    »Darf ich vorstell... Jetzt haut doch nicht schon ab ... Nicht mal mehr ’nen kleinen capot de nuit?« plärrte er uns über die Schulter zu.
    Ich hob die Hand und sagte: »Ein andermal.«
    Er stierte noch einmal Maureen ausführlich an und versuchte, anzüglich zu grinsen, was aber dabei herauskam, sah aus wie eine erschrockende Eidechse, die versucht, sich nicht zu übergeben. Dann schwankte er auf seine Gäste zu und rief: »Geht noch nicht!«, bevor er stolperte und stürzte. Während wir davoneilten, murmelte Maureen: »Geschieht ihm recht, diesem widerlichen, kleinen Mistkerl.«
    Ich drehte mich noch ein letztes Mal um und sah, wie ihm gerade von dem Mann wieder auf die Beine geholfen wurde, während die Frau die Vorderseite ihres Rocks abwischte, wo der letzte Rest seines Whiskys gelandet war. Maureen ging ein kleines Stück voraus, und ich hörte ihn laut aufstöhnen: »Mon dieu, quelle catastrophe. O chers amis, wie domage à trois. Völlig besoffen. Schwester, mon derriere  ...«
    Er drehte sich noch einmal zu mir um und winkte. Ich winkte zurück. Wir waren wir alte Kumpels, die sich nach einer wilden Sauftour zum letzten Mal verabschiedeten, beide insgeheim mit einem Schamgefühl, das sich im Lauf der Jahre zu Abscheu verwandeln sollte.
    »Igitt!« sagte Maureen, als ich sie einholte, schon zum zweiten Mal an diesem Tag.
     
    Das nächste Stück wird viel Arbeit machen, und ich würde es viel lieber überspringen, weil ich immer unsicherer werde, wie wahrheitsgemäß es sein kann. Wie auch immer, hier ist es.

    Als wir bei meinem Häuschen ankamen, war die Sonne endgültig hinter dem Horizont verschwunden. Maureen ging nach oben, um sich zu baden und umzuziehen, während ich unten letzte Hand anlegte: Ich rückte die Kerzen auf dem Eßtisch ein paar Zentimeter näher zusammen, schaltete die beiden Lampen an und aus und wieder an, rückte ihre Schirme gerade, legte eine Platte auf: ein Impromptu von Schubert, ob Sie es glauben oder nicht. Als sie herunterkam, trug sie ein langes, weißes Kleid und um die Schultern eine rote Strickjacke. Ihre Haare waren offen, so daß sie sich um ihre Ohren lockten und ihr Kinn einrahmten. Ich konnte mir vorstellen, daß sie für den Rest meines Lebens so die Treppe herunterkam — kaum Make-up außer um die Augen herum, die im Kerzenlicht glänzten wie tränenfeucht. Sie sah wunderbar aus. Ich hielt ihr ein Glas Weißwein hin, das sie nahm, kurz davon nippte und auf den Tisch stellte. Wir standen uns gegenüber.
    »Bist du froh, daß du gekommen bist?« fragte ich.
    Sie nickte. »Hm. Und du?«
    »Hm. Sehr. Kann ich dich etwas fragen?«
    Sie griff nach ihrem Weinglas, aber ihre Hand zitterte, und sie stellte es wieder ab.
    »Na gut«, sagte sie. »Aber ich verspreche nicht, darauf zu antworten.«
    »Kann ich dich küssen?« Ich streckte meine Hand aus, und sie nahm sie.
    »Keine Ahnung«, murmelte sie und schaute auf unsere verschränkten, ruhelosen Finger.
    »Ist eigentlich ganz einfach. Unsere Münder berühren sich für eine ziemlich lange Zeit, eigentlich genau so lange, wie sie Lust darauf haben.«
    Ich zog sie an mich, die Augen noch immer gesenkt, bis wir Wange an Wange standen, so daß ich ihr ins Ohr flüstern konnte: »Nur damit du weißt, wie wunderschön du für mich bist.« Als ich das sagte, mußte ich mich nicht fragen, ob das gelogen war oder nicht oder wie sehr.
    Sie schüttelte die Strickjacke ab, und die uralten Prozeduren begannen. »Halt mich, halt mich fest«, murmelte sie, als ihr Mund
wieder frei war, und meine Hände gehorchten, drückten sie an mich, zuerst am Rücken, dann an der Taille, und schließlich lagen meine Finger auf ihren Hinterbacken, die so willfährig waren wie üppig. Solche Wörter kommen einem erst viel später. Zu der Zeit existierten für mich nur ihr berauschender Geruch, die weichende Widerspenstigkeit ihres Fleisches, unsere Hände, die einander erkundeten. Keine Wahrheiten, die ausgesprochen werden mußten. Ein Lauschender hätte wohl die Geräusche eines kleinen, nicht sehr wählerischen, aber zufriedenen Zoos kurz nach der Fütterung gehört.
    Irgendwann folgte das Abendessen, und ich

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