Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Titel: Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Chadwick
Vom Netzwerk:
verschwand sein Kopf, vielleicht, weil er sich auf das Kartenspiel konzentrieren mußte. Es war kurz vor Mittag. Ich sagte Maureen, ich hätte den Ladenbesitzern erklärt, sie habe aufgrund der neuen Methoden in psychiatrischen Anstalten einen Tag Ausgang bekommen. Sie hatte sich inzwischen wieder gefangen und starrte zu Mrs. Jenners hinüber, die etwa fünfzig Meter vor uns in ihr Auto stieg.
    »Ich kann diese herablassenden Leute nicht ertragen«, sagte sie. »Hätte mir fast in die Hose gemacht, als du dich über sie lustig
gemacht hast.« Dabei dachte ich mir, daß die Leute, über die man sich leicht lustig machen kann, in einer sehr unlustigen Welt leben, da das Gelächter immer Teil einer vergessenen Verletzung ist. Nun ja, Lachen tut uns unwahrscheinlich gut, und auf irgend jemands Kosten geht es immer. »Und diese Ladenbesitzer«, fuhr sie fort. »Wie die mich angestarrt haben. Ich kam mir vor, als hätte ich die Krätze.«
    »Ist bestimmt nur ganz natürliche Neugier«, sagte ich, aber sie zuckte nur die Achseln und beließ es dabei.
     
    Wir aßen spät zu Mittag, und danach studierte Maureen ungefähr eine halbe Stunde lang eine Partitur. Wir hatten ausgemacht, daß wir am Nachmittag einen Ausflug unternehmen und Nanny Phipps’ Koffer abliefern würden. Ich wollte ihre Unterstützung (und Bewunderung); in weniger egoistischer Hinsicht wäre es außerdem eine Möglichkeit, sich noch besser kennenzulernen. Am Abend zuvor hatte sie sich den Inhalt des Koffers angeschaut und dabei mehrmals »bemitleidenswert« gemurmelt. Während ich nun auf sie wartete, nahm ich mir den Koffer noch einmal vor, räumte ihn ordentlich ein und stellte mir dabei vor, wie Nanny Phipps sich mit ihrem Flachmann hinter einen Busch schlich, dabei die Kinder kurz aus den Augen ließ und sich deswegen doppelt schuldig fühlte.
    Beim Frühstück hatte ich sie gefragt: »Das Foto, das du mir geschickt hast, am Meer, du mit deinem Fahrrad. Warst du damals glücklich?«
    »Ich hasse die Vergangenheit«, sagte sie. »Ich will nicht darüber reden.«
    »Du hast darauf ausgesehen, als würdest du gute Miene zu bösem Spiel machen oder so in der Richtung. Ich hoffe, du verzeihst mir die Frage, aber warst du damals noch Jungfrau?«
    »O Gott, willst du das wirklich wissen?« entgegnete sie. »In dem Augenblick war ich noch Jungfrau. Am Morgen danach nicht mehr. Und er hat dann die andere geheiratet, die verschlagene, kleine Schlange.«
    »Könnte es sein, daß es vielleicht besser so war?«

    »Woher soll ich das wissen? Habe ich dir nicht schon genug erzählt?« erwiderte sie scharf.
    Und sie hatte recht. Ich hätte auch nicht gewollt, daß sie mich so ausfragte, auch wenn wir beide mehr Vergangenheit als Zukunft hatten und damit leben mußten, sozusagen. Aber wenn wir versuchen, die Schlingen und Fallen unserer Selbstaufdröselung zu verheimlichen, ist es dann Untreue, uns selbst gegenüber, meine ich, wenn wir nicht die Wahrheit sagen? Es war alles viel zu gemütlich, um in der Richtung irgend etwas zu riskieren.
    Wir schauten auch im Kunsthandwerkszentrum vorbei, aber ich sah sofort, daß es sie nicht interessierte. Gwen bot an, uns herumzuführen, aber Maureen sagte: »Ein andermal. Ich bin eigentlich nicht richtig angezogen dafür. Aber dennoch vielen Dank.«
    »Sieht ein bißchen chaotisch aus«, sagte sie, als wir wieder ins Auto stiegen. »Komische kleine Frau. Aber sie leisten gute Arbeit, geben den Leuten Selbstvertrauen, beschäftigen sie, damit sie nicht in Schwierigkeiten geraten.«
    Die Fahrt über Landstraßen gab uns wenig sonstigen Gesprächsstoff. Maureen schaute sich um, vielleicht überlegte sie, wie es wäre, wenn dies die Umgebung für den Rest ihres Lebens wäre, Gedanken eben, die sich in der Landschaft Suffolks beinahe aufdrängen. Es war, als würde sie etwas Außergewöhnliches suchen, worüber sie reden könnte, aber nichts dergleichen finden: nur Felder und Wiesen, einige mit Tieren darauf, Bäume, Hecken, einige Häuser, die schöner und/oder größer waren als andere, abwechslungsreichere Wolkenbilder als sonst, aber über die konnte man kaum reden, ohne gleich aufs Wetter zu kommen. Ich summte, denn eigentlich wollte ich, daß dies genügte, daß dies das Leben wäre. Und dachte dabei: Wenn ihr das jetzt schon nicht genug ist, dann wird es ihr in Zukunft immer weniger reichen, vor allem, wenn man an den Altersunterschied von acht Jahren zwischen uns denkt. Ach, wenn nur nach der nächsten Kurve ein Chor auf uns

Weitere Kostenlose Bücher