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Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Titel: Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Chadwick
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»Ach, Ripple, dachte mir, Sie sollten das wissen. Der alte Soldat hat seinen Tornister an den Nagel gehängt und hat sich dem großen Regiment im Himmel angeschlossen.«
    Man merkte, daß er lange über diese Formulierung nachgedacht hatte, und sie war ihm auch recht gut gelungen. Trotzdem würden eines Tages andere Leute anderen Leuten von ihm erzählen und andere Leute von denen und so endlos immer weiter. Ein paar gelungene Formulierungen sind dafür immer von Vorteil, aber das war nicht alles.
    »Hat seine Stiefel ausgezogen, zum letzten Mal salutiert, könnte man sagen.«
    »Danke, daß Sie mir Bescheid gesagt haben.«
    »Nach dem letzten Zapfenstreich das Signal zum Wecken, und es gibt immer ...«
    Ich dankte ihm noch einmal und verabschiedete mich. Etwas
später rief ich Agnes an, und sie sagte mir, er werde am nächsten Morgen eingeäschert. Sie und ihre Tochter wollten dort allein sein, aber am nächsten Samstag gebe es in der Kirche einen Gedächtnisgottesdienst. Ich weiß nicht mehr, wie sie klang, außer als sie mir sagte, er hätte keine Blumen gewollt, und alle Spenden sollten an den Kirchenrenovierungsfonds gehen. In diesem Augenblick wirkte sie beinahe fröhlich.
    »In gewisser Weise war er schon ein merkwürdiger Kauz. Daß er mich liebt, hat er nur einmal gesagt, bei seinem Heiratsantrag: >Ich werde dich lieben bis zum Tage meines Todes, und mehr gibt’s dazu nicht zu sagen. ‹ Aber er war mir gegenüber der größte Charmeur vor dem Herrn. Und er hat Wort gehalten. Es bricht mir das Herz, daß ich nun plötzlich nicht mehr so lieben kann und geliebt werde ...«
    Ihre Stimme verklang. Ich hatte nichts zu sagen, und genau das bleibt, auch heute, da ich mit meiner Schreiberei fertig bin, dieses Gefühl, so gut wie nichts gesagt und getan zu haben.
     
    Ungefähr dreißig Leute kamen zu dem Gottesdienst, alte Waffenkameraden, die üblichen aus dem Dorf und der Umgebung. Die Ladenbesitzer hatten den Altarbereich mit einer Vielzahl unterschiedlicher Blumen geschmückt, die an diesem schmuddeligen Wintertag besonders leuchtend und unangebracht aussahen.
    Wir fingen an mit dem Lied: »O Gott, unsere Hilfe seit uralten Zeiten.« Die alten Kameraden sangen laut, aber ich konnte überhaupt nicht singen und schaute statt dessen seine Witwe an, die, unter schwarzem Hut und Schleier, mit gesenktem Kopf in der ersten Reihe stand. Ihre Tochter stand neben ihr, starrte stur geradeaus und sang ebenfalls nicht. Sie standen Arm in Arm, und ich fragte mich, ob sie lieber allein wären.
    Einer der Soldaten begann die Lesung mit den Zeilen: »Was soll ich rufen? Alles Fleisch ist ja Gras und alle seine Pracht wie die Blume des Feldes. Das Gras verdorrt, die Blume welkt ...« Aber er las es zusammenhanglos, als wäre genau das Gegenteil wahr oder als hätte es nichts zu tun mit dem, warum wir hier waren.
    Dann sangen wir: »Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts
mangeln ...«, und gegen Ende fielen auch Witwe und Tochter ein und hielten sich dabei noch ein bißchen fester. Danach las der Vikar ein paar kurze Gebete, mit gesenktem Kopf, als würde er sie nur sich selber vorsagen, um ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen. Nun sangen wir einen Psalm und versuchten dem Vikar zu folgen, der an der Orgel die Melodie vorgab, und da sie ziemlich schlicht war, hatten wir sie bald kapiert: »Gott ist unsere Zuflucht und Stärke, als mächtige Hilfe bewährt in Nöten ... Er, der den Kriegen Einhalt gebietet bis ans Ende der Welt, der den Bogen zerbricht und den Speer zerschlägt ...«
    Für die Predigt trat er nicht an die Kanzel, sondern ging ein paar Schritte im Mittelgang auf und ab und schaute dabei vorwiegend zu den schattenverhangenen Fenstern hoch. »Alles, was du tun kannst, das tue nach deinem Vermögen, denn in der Unterwelt, wohin du gehst, gibt’s nicht Schaffen noch Planen, nicht Erkenntnis noch Weisheit mehr.« Er sagte uns, woher diese Zeilen stammten, so daß ich sie später in Nanny Phipps’ Bibel nachschlagen konnte. Er dankte uns für unser Kommen, einige von weit her und andere mit Zweifel im Herzen in bezug auf die Worte, die wir gehört und gesungen hatten.
    »In diesem Haus tun wir, wozu dieses Haus da ist und was in ihm seit Hunderten von Jahren getan wurde und was, mit ein bißchen Glück, auch noch in Hunderten von Jahren getan werden wird. Was den Mann angeht, dem wir hier nun die letzte Ehre erweisen, so weiß ich nur, daß er diese Kirche sehr mochte und viel Zeit und Geld in sie investierte.

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