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Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Titel: Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Chadwick
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Ich weiß nicht, was er glaubte. Einmal sagte er zu mir: >Schau ganz gern ab und zu mal vorbei, um nachzusehen, ob sie noch da ist. Man muß die Dinge am Laufen halten.‹ Über seinen Charakter kann ich nichts sagen, auch wenn das bei solchen Anlässen üblich ist, aber ich hatte den Eindruck, daß er ein zutiefst menschenfreundlicher und aufrichtiger Mann war. Man könnte annehmen, daß er auch ein tapferer Mann war, selbst wenn ich erst am heutigen Tag von seinen Auszeichnungen erfahren habe. Bei einer anderen Gelegenheit sagte er zu mir: >Vom Beruf her, Padre, bin ich ein ausgebildeter Killer, und ich wollte immer dort sein, wo es zur Sache ging. Dorthin hat
mein Denken, wie unmaßgeblich es auch sein mag, mich immer geführt, immer auf irgendein Schlachtfeld. Mein Gewissen wird nie zulassen, daß ich mir das schönrede, auch wenn es immer unsere Absicht war, noch mehr Töten zu verhindern.< Darauf wußte ich keine Antwort. Und ich muß gestehen, bei solchen Anlässen habe ich oft den Eindruck, daß ich, trotz aller Erhabenheit der Worte, auf nichts eine Antwort habe. Wir können nur zusammenkommen in der Gewißheit, daß wir versuchen müssen, das Leid anderer zu teilen, und daß wir uns in diesem Teilen mit der Vergangenheit vereinigen. Selig sind die Trauernden, denn wie können sie je getröstet werden? Sosehr er ein Friedensstifter war, so war er doch auch ein Kind Gottes, und bis Gott es schafft, den Kriegen Einhalt zu gebieten bis ans Ende der Welt, und ich fürchte, das wird er nie, werden wir Soldaten nötig haben, die Ehre und Gewissen besitzen und die bereit sind für den Kampf, ihn aber nicht suchen. Wir können nicht alles Gott überlassen. Lieber Herr Jesus Christus, wie sehr würde ich mir wünschen, wir könnten es. Ich sehe so wenige Beweise für seine Gerechtigkeit und seine Gnade. Und so müssen wir uns beständig an jene halten, die sich um andere kümmern und sich ernsthaft bemühen, aufrichtig zu sein ... Er, der Gerechtigkeit übt und die Wahrheit redet von Herzen... er, der unsträflich wandelt ... er, der den Verworfenen verachtet, aber die Gottesfürchtigen ehrt ... Wie endet der Psalm? ... Wer das tut, wird nimmer wanken. Und jetzt sein Lieblingslied: >Bleibe in mir, da schon der Abend naht, die Dunkelheit hereinbricht, Herr, bleibe in mir.‹«
    Und tatsächlich brach die Dunkelheit herein, als wir sangen. Am Ende der Strophe hielt der Vikar an der Orgel kurz inne, und wir hörten den Regen auf das Dach und gegen die Fenster prasseln, und der Vikar verließ die Orgel, um das Licht einzuschalten. Dann fingen wir wieder an zu singen, und kurz vermißte ich Maureen, die den Lärm des Regens, den Beginn des Winters, übertönt hätte. Ich vermißte auch meinen Vater und dann meinen Sohn, ihre Nöte, die ich nie teilen konnte und die in diesem Augenblick ganz meine eigenen waren. Agnes und ihre Tochter sangen jetzt laut, und ich dachte daran, was mir der Colonel an diesem Tag im
Pub gesagt hatte: »Sie ist ein wunderbares Mädchen.« Sie stand jenseits des Mittelgangs, auf der anderen Seite ihrer Mutter, so daß ich sie nur zum Teil sehen konnte, doch als sie dann aus der Bank trat, lächelte sie mir trotz ihrer überwältigenden Trauer freundlich zu, und das gab meinem Denken, meinem Nichtdenken, daß man auf das Schlachtfeld geführt wird, wo kein Frieden verkündet und keine Gnade gezeigt wird, eine Wendung.
    Das wurde später hinzugefügt, müssen Sie wissen, als Versuch, die Wahrheit zu sagen, aber den Ton etwas abzuschwächen. Agnes sah meinen Blick, verstand ihn und lächelte ebenfalls, als wollte sie sagen: Das Leben muß weitergehen. Die Tochter des Toten: blaue Augen, die Lippen geöffnet, die Wangen leicht gerötet, ein völlig klares und in sich ruhendes Gesicht, trotz des Schattens, den ihre Haare warfen, der winzigen Furchen auf der Stirn und neben den Mundwinkeln. In diesem Augenblick schien sie nicht hierherzugehören, ein nervöses Kind, das an einem Klavier steht und gleich singen muß, von dem zuviel erwartet wird. Und dann ein zweiter, schneller Blick, als sie ihre Mutter einholte, um sich wieder bei ihr einzuhaken, und sich kurz bückte, um ihren Rock glattzustreichen, so daß ich, fast zum Berühren nahe, ihre Brust hängen sah und wie sich die Bluse darum straffte ...
    Am Eingang zogen Leute Regenmäntel an und kämpften mit Schirmen. Man war zum Tee ins Haus des Colonels eingeladen, und ich hörte den Vikar zu Agnes sagen, daß er dringend wegmüsse. Sie dankte

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