Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now
von anderen. Das wär doch eine Idee. Wenn ich die Ballerinen höflich bitte, nicht so einen verdammten Lärm zu machen, könnte ich ihnen ja anbieten, ein Bündel ihrer Schmutzwäsche mit in den Salon zu nehmen. Alle unsere Körperhüllen gemeinsam in einer Maschine. Das kann man danach ja problemlos auseinandersortieren. Beim Leben ist das nicht so einfach.
Als ich dies schreibe, ist die Welt überwältigt von der Gefahr eines Kriegs im Golf. Es sind nur noch wenige Tage bis dahin. Ich lese und höre alle Argumente und Voraussagen. Doch sie alle verhelfen mir in keiner Weise zu irgendeiner Gewißheit, was richtig oder falsch betrifft. Ich wüßte jetzt gern, was meine Frau darüber denkt. Ich würde mich auch gern mit dem Colonel oder dem Vikar darüber unterhalten. Ich frage mich, was Hamble sagen würde oder Hipkin. Aber nicht Plaskett. Als ich Jane anrief, um ihr ein gutes neues Jahr zu wünschen und mich für den Bronzefisch zu bedanken, den sie mir zu Weihnachten geschenkt hatte, nannte sie mich zum ersten Mal »Dad«. Ich notierte mir damals, was sie mit großer Melancholie in der Stimme sagte, und füge jetzt hinzu, was sie seitdem gesagt hat: daß es nie eine Welt geben werde, in der nicht der Wettstreit um Ehre und Reichtümer und Macht alles vorantreibe. Aber inwieweit verhielten wir selbst in unserem Leben uns nicht ebenfalls so, sondern gemäß friedlicher Versionen, frei und gesittet untereinander? Es könne keine neue Weltordnung geben, solange noch individuelle Zielvorstellungen kollidierten, aus einer solchen Unmenge an Gier und Neid in jedem einzelnen könne keine Höflichkeit und Rücksichtnahme im allgemeinen Umgang entstehen. Wenn wir uns selber nicht vervollkommnen könnten, welche Hoffnung bestehe dann für die Menschheit? Unterdessen habe ich gelesen, daß Leute ihren Selbstmord verschieben, weil das Blut da unten etwas ist, worauf man sich freuen kann. Das gilt auch für andere, denen ihr Leben kostbarer ist.
Vor einer Woche lud ich Foster auf einen Drink ein. Er nahm ohne große Begeisterung an. Ich gab ihm einen Gin Orange, seine vierte Wahl, während er sich verächtlich in meinem Zimmer umsah,
als würde er eine Bestandsaufnahme machen, bis er etwas weniger Langweiliges entdeckte, über das er sich ärgern könnte. Ich begann das Gespräch, indem ich etwas über den Golf murmelte.
»Ich weiß nicht, worauf sie noch warten«, sagte er. »Warum fragen Sie? Einfach rein da und es schnell hinter sich bringen.«
Das Thema ist ihm scheißegal, dachte ich und erzählte ihm deshalb, ich hätte den Polen kennengelernt und ihn sympathisch gefunden, auch wenn er offensichtlich mehr auf dem Herzen habe, als er bewältigen könne.
»Na ja«, erwiderte er, »so sind sie eben, meiner bescheidenen Erfahrung nach. Sie sollten seine Frau kennenlernen. Polen. Ich weiß nicht. Irgendwie traurig. War immer schon so. Auf dem Land muß ein Fluch liegen. Jetzt scheint’s ja besser zu sein, aber, ehrlich gesagt, ich habe da so meine Zweifel. Hab auf meinen Reisen ein paar von denen kennengelernt. Stil haben sie ja, das muß ich zugeben, aber ein bißchen verrückt sind sie auch. Jetzt haben sie es selber in der Hand, wenn man so will.«
Auch hier wieder keine Anzeichen, daß er sich auf eine Diskussion einlassen wollte, deshalb brachte ich nach einer langen Pause das Lärmproblem zur Sprache. Er schaute sich weiter im Zimmer um und fand noch immer nichts, was ihn interessierte. Ich dachte schon, er hätte mich nicht gehört.
»Ich bring’s mal zur Sprache, wenn Sie wollen. Werd’s verdammt noch mal mehr als nur zur Sprache bringen.«
»O nein«, erwiderte ich hastig, weil ich mir die Konfrontation gut vorstellen konnte. »Wenn es sie glücklich macht. Ich kann ja immer auch mal spazierengehen oder sonstwas.«
»Wie Sie wollen. Aber ich, ich würde mir das nicht gefallen lassen. Abschalten oder ausziehen.«
»Ein sehr gesunder Beruf scheint das ja nicht zu sein. Ich persönlich hatte ja nie viel fürs Ballett übrig«, sagte ich.
»Ein besseres Beinezeigen zu Musik, das ist es doch, oder?«
»Nicht unbedingt. Es ist nur so, daß ...«
Er lehnte sich auf dem Sofa zurück und schaute zur Decke. »Bin früher mit meiner Frau hingegangen. Sie liebte es. Wenn wir mal Heimaturlaub hatten, dann war es das, was sie am meisten genoß,
ins Ballett gehen. Nach dem schwärzesten, verdammten Afrika war es eine schöne Abwechslung zu dem Eingeborenenzeugs, dem Trommeln und Stampfen, manchmal die ganze
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