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Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Titel: Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Chadwick
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aus den Augen gelassen.
     
    Ich habe vergessen zu erwähnen, daß Virginias Tochter am Neujahrstag geboren wurde, um fünf Uhr morgens. Ihre Mutter rief mich an, ein bißchen zu bald danach. Wir hatten nicht mehr miteinander gesprochen seit ihrem Anruf in Suffolk, von dem ich erzählt habe. Ihrem Tonfall nach zu urteilen, hätten wir unser ganzes Leben lang in täglichem Kontakt sein können.
    »Hallo, Tom, ich bin’s. Deine Ex. Wir haben eine Enkelin.«
    »Wie schön. Und beiden geht’s gut?«
    »Sehr.«
    »Wie wollen sie die Kleine nennen?«
    »Einfach nur Ann, glaube ich.«
    »Klingt für mich ganz okay. Und es ist wirklich in jeder Hinsicht alles in Ordnung, bist du sicher?«
    »In jeder und noch ein bißchen mehr. Ich habe Ginny zwar versprochen, ich würde dir nichts sagen, aber sie sieht aus wie du, sie hat deine ...«
    Ich konnte nicht zulassen, daß das so weiterging. »Schütteren Haare, meinst du. Darüber würde ich mir keine Gedanken machen, wenn ich du wäre, noch nicht.«
    Sie lachte. »Das sind gute Nachrichten, Tom. Läßt mich zurückdenken ...«
    Mich auch, bei Gott. »Kann ich mit ihr reden?« fragte ich.
    »Mit Virginia?«
    »Falls Ann gerade anderweitig beschäftigt ist ... Sag ihr, sie soll mich anrufen. Sag ihr, daß ich sie liebe.« Ich fing bereits an zu brabbeln und hoffte, sie würde nicht so weitermachen wie bisher.
    »Scheint noch gar nicht so lange her zu sein, daß du und ich allein waren, und dann plötzlich war auch Ginny da, nicht?«
    »Also, ich erinnere mich da ganz anders daran. Damals gab’s
noch eine Vorankündigung von neun Monaten oder siebeneinhalb oder was immer es war. Schwangerschaft nannte man das damals.« Ich versuchte, lustig zu klingen, aber es kam anders heraus, eher streitsüchtig.
    »Ach, Tom ... War ich wirklich eine so schlimme, überhebliche Schulmeisterin? Aber doch nicht die ganze Zeit. Ich habe doch nur versucht ...«
    »Nein, natürlich warst du das nicht. Ich war übrigens unlängst in der Heath. Erinnerst du dich noch an Virginias schwarze Melone und daß Adrian nicht mehr aufhören konnte zu lachen?«
    »Nein, daran erinnere ich mich nicht. Aber ich weiß noch, daß wir den Drachen zugeschaut haben und Adrian unbedingt einen wollte.«
    »Und ich hatte natürlich keinen, wie ich vermute.«
    »O nein, du hast ihm einen versprochen, aber irgendwie vergaß er es dann, und wir haben es nie geschafft, ihm einen zu kaufen.«
    »Nein. Ich habe es nie geschafft, und er mußte es vergessen. Jetzt erinnere ich mich wieder.«
    »Die Melone. Jetzt fällt es mir auch wieder ein. An diesem Abend hat er viel geweint, und ich konnte nicht verstehen, wieso, zumindest damals nicht ...«
    Und so vertröpfelte sich unsere Unterhaltung. Ich dachte, jetzt kann nie mehr Verbitterung zwischen uns herrschen. Ann hatte dem ein Ende gemacht. Es ist freundlicher zu vergessen, obwohl die Vergangenheit alles ist, was wir sind, und wir können uns nicht aussuchen, woran wir uns erinnern, und wir können es nicht wettmachen, indem wir nach Belieben zum Beispiel eine Pappmaché-Melone auswählen, einen fröhlichen Nachmittag am Meer, den ersten Anblick des eigenen Kindes, sich verlieben, einen Drachen vor einer einzelnen schwarzen Wolke. Wenn es passiert, denken wir nicht: Daran muß ich mich erinnern, das wird bleiben, und das wird vergessen werden. Vielleicht ist das der Grund, warum ich versuche, über mein unbedeutendes Leben zu schreiben, um die Vergangenheit wiederherzustellen und sie komplett zu machen. Es kommt nicht viel dabei heraus, aber wenn ich ein Talent dafür
hätte, dann würde ich es befriedigender oder schöner oder so machen, aber nicht wahrer. Diese und ähnliche Gedanken gingen mir durch den Kopf, als ich, um das Gespräch zu einem Abschluß zu bringen, sagte: »Und was ist mit dir? Bist du in Ordnung?«
    »Brad ist nicht ganz auf der Höhe. Genaugenommen ... ich versuche zwar, mich beschäftigt zu halten, doch jetzt kommt eine neue Generation. Aber ich hatte ja meinen Anteil. Und du?«
    Nun ja, es gab eine Zeit, da hätte ich nur eine Antwort darauf gehabt: Meinen Anteil von was, verdammt noch mal? Kein Mensch glaubt doch, daß er genug abbekommen hat, oder?
    »Gut«, sagte ich und dann ganz einfach: »Mach’s gut und vielen Dank für den Anruf, und sage ihr, daß ich sie liebe.«
    Zusammen, glaube ich, hätten wir eine Botschaft für Ann haben können: daß sie von Anfang an das Leben wertschätzen solle, jede Minute davon, daß sie Schätze ansammeln

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